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Sommer in St. Ives

Roman | Anne Sanders

E-Book (EPUB)
2016 Blanvalet Verlag
416 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-18708-8

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Alte Liebe. Neues Glück. Und ein verrückter Sommer in Cornwall ...
Lola Lessing stehen turbulente Wochen bevor: Gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern reist die junge Frau nach Cornwall, um ihrer Großmutter Elvira einen letzten Wunsch zu erfüllen. Denn Elvira möchte ihre Lieben noch einmal um sich haben, und zwar in dem charmanten Fischerdorf St. Ives, wo sie den glücklichsten Sommer ihres Lebens verbrachte. Niemand ahnt, dass Elvira hier einst ihre große Liebe gefunden hatte - und dass die ganze Familie kurz davor steht, in Elviras geheimnisvolle Vergangenheit einzutauchen und den überraschendsten Sommer ihres Lebens zu verbringen ...

Anne Sanders lebt in München und arbeitet als Autorin und Journalistin. Zu schreiben begann sie bei der »Süddeutschen Zeitung«. Als Schriftstellerin veröffentlichte sie unter anderem Namen bereits erfolgreich Romane für jugendliche Leser. Die Küste Cornwalls begeisterte Anne Sanders auf einer Reise so sehr, dass sie spontan beschloss, ihren Roman »Sommer in St. Ives« dort spielen zu lassen. Dieser eroberte die Herzen der Leserinnen und wurde zum Bestseller. Auch »Mein Herz ist eine Insel« und »Sommerhaus zum Glück« waren große Erfolge.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

Die Reise

Mein Großvater hat immer gesagt, man muss im Leben dicke Bretter bohren. Was auf die Kette kriegen. Den Mattes in der Reihe haben. Und so weiter und so fort. Mein Großvater hatte immer einen Spruch auf den Lippen. In jeder Lebenslage.

Ich weiß, warum ich ausgerechnet jetzt daran denke, denn heute, auf den Tag genau vor einem Jahr, ist mein Großvater gestorben. Und gerade jetzt, in diesem Augenblick, wünsche ich ihn mir herbei, damit er meiner Schwester Lynda eine seiner schlauen Weisheiten um die Ohren haut, in der Hoffnung, sie möge endlich aufhören mit dem Genöle.

»Ich dürfte gar nicht hier sein«, sagt sie gerade. »Keine Ahnung, wie sie das Projekt ohne mich beenden wollen. Zu guter Letzt bin ich noch meinen Job los wegen dieser ... dieser Familienzusammenführung am Ende der Welt.«

»Cornwall«, murmle ich.

»Von mir aus Honolulu«, sagt Lynda.

Das Flugzeug macht einen dieser kleinen Holperer, und ich klammere mich an den Armlehnen meines Mittelsitzes fest. Fliegen allein ist schlimm. Fliegen mit Lynda ist Horror.

Ich drehe den Kopf nach rechts, wo mein Bruder Luca sitzt und in sein Notizbuch skribbelt. Lynda schimpft nach wie vor mit niemandem im Besonderen, und ich versuche, ihre Stimme so weit wie möglich auszublenden.

»Ist dir klar«, fragt Luca, »dass jährlich mehr Menschen durch Esel sterben als durch Flugzeugabstürze?«

Ich wundere mich nicht über diesen Satz. Es ist, als hätte mein Bruder ein Lexikon verschluckt, voller morbidem, unnützem Wissen und hanebüchenem Quatsch.

Mein Blick fällt auf die Zeichnung, die er gerade bearbeitet. Das Bild ist düster, voller dicker, schwarzer Striche, und es zeigt einen Airbus, der in rasendem Tempo vom Himmel stürzt. Aus dem klaffenden Loch, das womöglich einmal die Tür gewesen ist, werden Menschen in die Tiefe gerissen, Männer, Frauen, Kinder auf Eseln - und mittendrin unsere Schwester, vom akkuraten Pagenschnitt über die faltenfreie Bluse bis hin zum Bleistiftrock perfekt getroffen. Sie hat den Mund weit aufgerissen. Sie könnte schreien oder aber einfach nur lamentieren, wie sie es seit knapp anderthalb Stunden tut, seit wir in dieses Flugzeug gestiegen sind. Ihr Gesicht ist zu einer grässlichen, flatternden Maske verzogen, und ich beiße mir auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen.

Luca sieht auf, und wir grinsen uns an.

»So talentiert«, flüstere ich, und er zwinkert mir zu, bevor er sich wieder seiner Zeichnung widmet.

Ich liebe meinen Bruder. Sehr. Er ist siebzehn, hat einen Hang zu morbider Kunst und eben diesen unnötigen Unsinnigkeiten und ist ansonsten der unkomplizierteste Mensch, den ich kenne. Ich bin froh, dass er Teil meiner Familie ist. Wäre er es nicht, müsste ich die kommenden sechs Wochen allein mit Lynda, meinen Eltern und meiner Großmutter verbringen.

Sechs Wochen.

Allein.

»Lola, würdest du bitte antworten?« Lynda piekt mit ihrem manikürten Fingernagel auf meiner Schulter herum, und ich blinzle mich aus meinen Gedanken. »Der Steward hat dich etwas gefragt.«

Ich blicke von meiner Schwester zu dem Flugbegleiter, der betont geduldig auf meine Bestellung wartet. »Cola«, sage ich, während ich mich aufrechter hinsetze, »light« ergänzt meine Schwester sofort. Noch während ich den Mund öffne, um zu protestieren, überlege ich es mir anders. Heute ist der erste von insgesamt zweiundvierzig Tagen, an denen ich mit meiner Schwester streiten kann - über vermeintlich wichtigere Dinge als ein Kaltgetränk mit Zuckeraustauschstoff.

Ich öffne die Minidose und nehme einen Schluck. Lynda nippt an ihrem Wasser, während mein Vater in der Reihe vor uns die Getränke bezahlt.

Die Sache ist die: Wir sind nicht freiwillig hier. Wir sind hier, weil meine Großmutter Elvira ihren Sommer dieses Jahr in England zu verbringen gedenkt, in St. Ives, um genau zu sein, an der cornischen Küste, und