Rezensionen

Das wilde Leben der Cheri Matzner
 

Petris


Spannendes Debüt

2019 ist ein eigenartiges Lesejahr. Einige Romane, von denen ich viel erwartet hatte, haben mich ziemlich enttäuscht, andere, die ich gar nicht lesen wollte, kamen dann durch Empfehlungen doch auf meine Leseliste und haben mich schwer begeistert und dann gab es Titel, wie diesen hier, die ziemlich lange auf dem Stapel warten mussten und immer wieder nach hinten gereiht wurden und die sich dann als sehr positive Überraschung erwiesen.

Cheri Matzner wurde adoptiert, ihre Adoptivmutter Chichi versucht ihre ganze Liebe in dieses Kind zu legen, doch Cheri scheint sie nur wegzustoßen und alles zu machen, um sie zu ärgern. Der Adoptivvater Solomon liebt seine Frau abgöttisch, doch zu dem Kind findet er nur schwer Zugang. Über Gefühle zu sprechen fällt ihnen allen schwer, so bleibt vieles ein Geheimnis und taucht erst spät auf und führt zu noch mehr Sprachlosigkeit.
Inzwischen ist Cheri 40, ihr Kinderwunsch hat sich nicht erfüllt, mit ihrem Mann Michael steckt sie in der Krise und auch in ihrer Arbeit als Uni-Professorin für Altphilologie läuft nicht alles nach Plan.
Auf dieser Basis erzählt Tracy Barone Cheri Matzners Geschichte, aber auch die ihrer Eltern. Das macht sie so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Familiengeschichten, Missverständnisse, eine starke Hauptperson, Menschen, die das Beste für ihre Lieben wollen, aber sich in einigen Entscheidungen täuschen,…
Man merkt, dass die Autorin vom Film kommt, es gelingt ihr mühelos, Bilder im Kopf entstehen zu lassen, zu bewegen und den*die Leser*in auf eine spannende Reise mitzunehmen. Beeindruckt hat mich auch, wie genau sie auch traurige Episoden beschreibt, da wird nichts beschönigt, realistisch beschreibt sie zum Beispiel das Sterben eines Krebskranken, die Hilflosigkeit der Angehörigen.

Ein sehr starkes Debüt, das ich mit großer Begeisterung gelesen habe und wärmstens weiter empfehlen kann!

Emmmbeee


Kinderwunsch und seine Folgen

Miriam und Cici: zwei Frauen, die zur selben Zeit entbinden. Doch die Minderjährige sieht sich als Mutter überfordert und verschwindet gleich nach der Geburt. Währenddessen verliert die italienische Ehefrau des fürsorglichen Solomon ihr Wunschkind und wird auch zukünftig keines mehr bekommen können. Sol ist verzweifelt und entschliesst sich zu einem barmherzigen Schritt, um Cici aus ihrer Depression zu befreien. Durch die Adoption des mutterlosen Töchterchens von Miriam muss sie nun doch nicht ohne Baby bleiben, und Cheri hat liebevolle Eltern erhalten. Das Kind wächst behütet auf, ist trotzdem tief unglücklich und fühlt sich nirgends zugehörig, bis sein rebellisches Wesen sich endlich entfalten kann und das Mädchen zu einer Frau wird, deren Entwicklung mehr als nur überraschend verläuft.
Besonders die weiblichen Figuren haben sehr unterschiedliche Erwartungen an das Leben. Doch was wird schlussendlich daraus? Eine weitere grosse Frage durchzieht das Buch: Wo bin ich zu Hause, wo gehöre ich eigentlich hin? Doch das nun in gute Bahnen gelenkte Leben der Familie verläuft keineswegs glatt, und meine Sympathien für die einzelnen Figuren haben beim Lesen mehrfach gewechselt. Und was den Kinderwunsch betrifft, so ist das Thema nach den ersten Kapiteln keineswegs abgeschlossen. Die Zeitebenen liegen teils viele Jahre auseinander. Und "wild", naja, wild ist Cheris Leben eigentlich nicht, eher turbulent.
Tracy Barone hat in ihrem Erstlingsroman bereits viele Register gezogen, um bei den Lesern gut angekommen. Ein durchgehender Spannungsbogen, eine süffige, erfrischende Sprache, dazu der passende Schreibstil und viele verblüffende Wendungen könnten den Roman zu einem Bestseller machen. Das Coverbild ist den Gemälden von Roy Lichtenstein nachempfunden, was gut zum Inhalt passt.
Ich finde, es ist eine atemlos geschilderte Familiengeschichte, die nach einer Fortsetzung ruft. Empfehlenswert für alle, die immer neue Stories lesen wollen.

liesmal


Eher tragisch als komisch

Solomon Matzner liebt seine italienische Frau Cici mit ganzem Herzen und beide freuen sich auf ihr erstes Kind. Doch nach einer Fehlgeburt kapselt Cici sich ab und verkriecht sich in einer eigenen Welt. Solomon adoptiert ein Kind um Cici wieder Freude am Leben zu schenken. Cici liebt ihre Tochter Cheri abgöttisch und sie konzentriert sich fast ausschließlich auf ihr Kind.
Mir hat der Anfang des Buches sehr gut gefallen. Das Mädchen Miriam geht in eine Klinik, bekommt ihr Kind und lässt es dort zurück. Billy Beal leistet in der Klinik Sozialstunden ab und ist sogleich fasziniert von Miriam und von dem Baby, das zunächst als Pflegekind in Billys Familie kommt und bald danach von Solomon adoptiert wird.
Ich habe lange darauf gewartet, dass Billy und auch Miriam noch einmal auftauchen, doch stattdessen konzentrierte sich das Geschehen sehr stark auf Cici. Dieser Teil des Romans zieht sich für meinen Geschmack wie ein Kaugummi in die Länge und es geschieht irgendwie nichts.
Irgendwann nimmt die Geschichte dann an Fahrt auf, als es um Cheris Leben geht. Sie weiß nicht wirklich etwas über ihre Vergangenheit und sie ist mit ihrem Leben nicht so wirklich zufrieden. Nach dem ersten Drittel ist es der Autorin Tracy Barone endgültig gelungen, mich zu begeistern für ihren Schreibstil und die etwas ungewöhnliche Art, Cheris Geschichte zu erzählen.
Sehr gut gefällt mir das Vorgehen von Cheris Psychologin, Dr. Marlene Vega, die sehr einfühlsam und empathisch Cheri dazu bringt, sich mit ihrem Leben und ihrer Familie auseinanderzusetzen.
Traurig macht mich das Verhältnis zwischen Cheri und ihrem Vater Solomon, von dem sie sich nie angenommen und geliebt fühlte. Das Wissen, dass der Leser über Solomons Leben und die Gründe für sein Verhalten erlangt hat, fehlt Cheri natürlich.
Cheri hat ein sehr bewegtes und bewegendes Leben geführt, das erst nach und nach fühlbar und greifbar wird und mich hin- und hergerissen zurücklässt.

Barbara Kumpitsch


Das wilde Leben der Cheri Matzner

Solomon ist so verliebt in seine italienische Freundin, dass er sogar zum Katholizismus konvertiert und mit seiner jüdischen Familie jeglichen Kontakt abbricht. Doch Cicis Sohn stirbt bei der Geburt und ihre Verzweiflung bringt Solomon dazu, auf ungewöhnliche Art ein Kind aufzutreiben. Wie Cheri Matzner in diese Familie passt, das fragt sie sich noch 40 Jahre später, denn eigentlich hat sie immer gewusst, dass sie die Erwartungen ihrer Familie nie erfüllen kann. Jede Entwicklung in diesem Roman ist ein Ereignis: niemals sieht man ein Ereignis voraus, und doch passt in diesem Familienroman alles. Mich hat Cheris Geschichte tief bewegt, ihre Suche nach den Wurzeln ist aufwühlend und berührend erzählt und ihr Scheitern finde ich umso cooler!