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Gullivers ReisenOverlay E-Book Reader

Gullivers Reisen

Jonathan Swift

E-Book (EPUB)
2015 Anaconda Verlag
384 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7306-9114-4

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€ 2,99

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Jonathan Swifts 'Gullivers Reisen' gilt vielen Lesern noch immer als Kinderbuch - zahllose speziell gekürzte Ausgaben haben diesen falschen Eindruck noch befördert. Die Originalfassung aber ist eine überaus scharfzüngige Gesellschaftssatire, in der Swift virtuos mit verschiedenen literarischen Stilen spielt und äußerst originell Ausschnitte der Lebenswirklichkeit seiner Zeit mit phantastisch-märchenhaften Motiven vermengt. Die sagenhaften Gestalten, denen Gulliver auf seinen abenteuerlichen Reisen begegnet, werden für immer unvergesslich bleiben.

Jonathan Swift (1667-1745) studierte Theologie in Dublin und wurde anglikanischer Geistlicher. Mit zahlreichen Flugschriften und ersten satirischen Erzählungen nahm er Stellung zu kirchlichen und politischen Themen. «Gulliver's Travels», die 1726 zunächst anonym erschienen, wurden zu einem überwältigenden Publikumserfolg und machten ihn zum bis heute bedeutendsten englischsprachigen Satiriker.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

ERSTER TEIL
Eine Reise nach Lilliput
Erstes Kapitel

Der Verfasser gibt Nachricht von seiner Person und seiner Familie. Seine erste Veranlassung zu Reisen. Er leidet Schiffbruch, sucht sich durch Schwimmen zu retten, erreicht wohlbehalten den Strand von Lilliput, wird gefangengenommen und in das Innere des Landes gebracht.

Mein Vater besaß ein kleines Gut in Nottinghamshire; ich war der dritte seiner fünf Söhne. Mit dem vierzehnten Jahr wurde ich auf Emanuel-College in Cambridge geschickt, wo ich drei Jahre lang blieb und fleißig studierte. Die damit verbundenen Kosten waren jedoch für das kleine Vermögen meines Vaters zu groß, obgleich ich nur einen unbedeutenden Wechsel erhielt; deshalb wurde ich bei Herrn James Bates, einem ausgezeichneten Wundarzt der Hauptstadt London, in die Lehre gegeben, bei dem ich drei Jahre lang blieb. Von Zeit zu Zeit schickte mir mein Vater kleine Geldsummen, die ich auf das Erlernen der Schiffahrtskunde und auf das Studium anderer mathematischer Wissenschaften verwandte, deren Kenntnis für diejenigen durchaus notwendig ist, die große Reisen unternehmen wollen; ich hegte immer ein gewisses Vorgefühl, dies werde früher oder später mein Schicksal sein. Als ich Herrn Bates verließ, kehrte ich zu meinem Vater zurück und erhielt von ihm, meinem Onkel James und einigen anderen Verwandten die Summe von 43 Pfund. Zugleich wurden mir 30 Pfund jährlich versprochen, so daß ich nach Leiden ziehen konnte. Dort studierte ich zwei Jahre und sieben Monate Medizin. Ich wußte, daß mir dies auf großen Reisen von Nutzen sein würde.

Bald nach meiner Rückkehr aus Leiden erhielt ich durch die Empfehlung meines guten Lehrers Bates die Stelle eines Wundarztes auf der »Schwalbe«, deren Kapitän der kommandierende Abraham Pannel war. Mit diesem Schiffe machte ich einige Reisen nach der Levante und anderen Gegenden. Nach meiner Rückkehr beschloß ich, mich in London niederzulassen, wozu mich auch Herr Bates ermutigte, nachdem er mich mehreren seiner Patienten empfohlen hatte. Ich mietete mir ein Stockwerk eines kleines Hauses in Old Jewry, und da man mir riet, den Junggesellenstand aufzugeben, verheiratete ich mich mit Maria Burton, der zweiten Tochter des Strumpfhändlers Edmund Burton in der Newgate Street, durch die ich 60 Pfund Mitgift erhielt.

Nach zwei Jahren starb aber mein guter Lehrer Bates. Ich hatte nur wenig Freunde, und somit verschlechterte sich auch mein Geschäft, denn mein Gewissen erlaubte mir nicht, in meiner Praxis gelegentlich unerlaubte Handlungen vorzunehmen, wie dies bei so vielen meiner Kollegen üblich ist. Nachdem ich deshalb eine lange Beratung mit meiner Frau und mehreren meiner Bekannten gehalten hatte, beschloß ich, wieder zur See zu gehen. Ich war Wundarzt auf zwei Schiffen und machte sechs Jahre lang verschiedene Reisen nach Ostindien und Amerika, wodurch ich mein Vermögen etwas vermehrte. In meinen Mußestunden las ich die besten älteren und neueren Schriftsteller, denn ich hatte stets eine nicht unbedeutende Anzahl Bücher mitgenommen; war ich ans Land gegangen, so beobachtete ich die Sitten und Charaktere der verschiedenen Nationen und erlernte ihre Sprachen, wozu ich durch die Stärke meines Gedächtnisses befähigt war.

Da die letzte dieser Reisen nicht sehr glücklich verlief, wurde ich des Seefahrens müde und beschloß, bei meiner Frau und meiner Familie zu bleiben. Ich zog aus der Old Jewry in die Fetter Lane und von da nach Wapping, denn ich hoffte, mir unter den dortigen Matrosen eine ärztliche Praxis einzurichten; allein diese Veränderung schlug nicht zu meinem Vorteil aus. Nachdem ich drei Jahre auf eine Besserung meiner Lage gewartet hatte, erhielt ich von Kapitän William Prichard, dem Eigentümer der »Antilope«, die im Begriff war, nach der Südsee abzusegeln, ein vorteilhaftes Anerbieten. Wir fuhren am 4. Mai 1699 von Bristol ab, und unsere Reise war anfangs glücklich.

Aus



Jonathan Swift, geb. 1667 in Dublin, 1689-94 Sekretär des Schriftstellers Sir William Temple in England, dann anglikanischer Geistlicher und von 1713 an Dekan von St. Patrick's in Dublin. Mit seinen beißenden Satiren kämpfte er gegen kirchliche und gesellschaftliche Mißstände. Er starb 1745.