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American GodsOverlay E-Book Reader

American Gods

Roman | Neil Gaiman

E-Book (EPUB)
2015 Eichborn
Auflage: 1. Auflage
673 Seiten; ab 16 Jahre
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7325-0744-3

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€ 14,99

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Ein Meisterwerk der Gegenwartsliteratur

Als Shadow aus dem Gefängnis entlassen wird, ist nichts mehr wie zuvor. Seine Frau wurde getötet, und ein mysteriöser Fremder bietet ihm einen Job an. Er nennt sich Mr. Wednesday und weiß ungewöhnlich viel über Shadow. Er behauptet, ein Sturm ziehe auf, eine gewaltige Schlacht um die Seele Amerikas. Eine Schlacht, in der Shadow eine wichtige Rolle spielen wird ...

Eines der meistbeachteten Bücher des letzten Jahrzehnts: eine kaleidoskopische Reise durch die Mythologie und durch ein Amerika, das zugleich unheimlich vertraut und völlig fremd wirkt. Erstmals ungekürzt auf Deutsch und komplett neu übersetzt.

Neil Gaimans American Gods ist die literarische Grundlage für die erfolgreiche, gleichnamige Serie. Die deutschsprachige Fassung ist seit 2017 bei Amazon zu sehen.

'Originell, fesselnd und unendlich einfallsreich.'
George R. R. Martin



Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Erstes Kapitel

Die Grenzen unseres Landes, Sir? Nun, Sir, im Norden grenzen wir an das Polarlicht, im Osten an die aufgehende Sonne, im Süden grenzen wir an die Wanderung der Äquinoktialpunkte und im Westen an den Tag des Jüngsten Gerichts.

JOE MILLERS WITZBUCH (Amerikanische Ausgabe)

Shadow hatte drei Jahre im Gefängnis gesessen. Weil er recht groß war und auch sonst ziemlich furchteinflößend wirkte, bestand sein ärgstes Problem darin, die Zeit totzuschlagen. Also hielt er sich in Form, brachte sich ein paar Tricks mit Münzen bei und dachte oft darüber nach, wie sehr er seine Frau liebte.

Das Beste an seinem Gefängnisaufenthalt - Shadows Meinung nach vielleicht das einzig Gute - war ein Gefühl der Erleichterung. Ein Gefühl, dass er so tief gefallen war wie nur irgend möglich und dass er die Talsohle erreicht hatte. Er machte sich keine Sorgen mehr, dass die Bullen ihn erwischen könnten, denn die Bullen hatten ihn erwischt. Wenn er im Gefängnis aufwachte, hatte er keine Angst; er fürchtete sich nicht mehr vor dem, was das Morgen bringen mochte, denn das Gestern hatte es bereits gebracht.

Shadow war zu der Feststellung gelangt, dass es keine Rolle spielte, ob man das, weswegen man verurteilt worden war, nun getan hatte oder nicht. Seiner Erfahrung nach fühlte sich jeder, dem er im Gefängnis begegnete, aus irgendeinem Grund ungerecht behandelt: Irgendetwas hatten die Behörden immer falsch verstanden, irgendetwas unterstellten sie einem, obwohl man es nicht getan hatte - oder man hatte es jedenfalls nicht ganz so getan, wie sie das behaupteten.

Von Bedeutung war aber allein, dass sie einen erwischt hatten. Dies war Shadow bereits während der ersten Tage aufgefallen, als alles, vom Slang bis zum schlechten Essen, noch neu gewesen war. Obwohl er sich elend fühlte und ihn das nackte Grauen packte, wenn er sich vor Augen führte, dass er hier eingesperrt war, ließ ihn diese Beobachtung leichter atmen.

Shadow bemühte sich, möglichst wenig zu reden. Doch irgendwann in der Mitte seines zweiten Jahres erklärte er seinem Zellengenossen Low Key Lyesmith seine Theorie.

Low Key, ein Trickbetrüger aus Minnesota, verzog seinen von Narben gezeichneten Mund zu einem Lächeln. »Yeah«, sagte er. »Das ist wahr. Noch besser ist es, wenn du zum Tode verurteilt wurdest. Dann fallen dir die Witze über die Typen ein, die ihre Stiefel abstreifen, während sich die Schlinge um ihren Hals legt, weil ihnen ihre Freunde immer erzählt haben, sie würden in ihren Stiefeln sterben.«

»Ist das ein Witz?«, fragte Shadow.

»Klar doch. Galgenhumor. Einen besseren gibt's nicht - krawumm, das Schlimmste ist passiert. Dir bleiben ein paar Tage, bis du's begriffen hast, und schon bist du mit dem Karren unterwegs, um auf dem Nichts zu tanzen.«

»Wann haben sie in diesem Bundesstaat zum letzten Mal jemanden aufgehängt?«, fragte Shadow.

»Verdammte Scheiße, woher soll ich das wissen?« Lyesmith rasierte sich seine orangeblonden Haare immer fast ganz ab. Die Linien, die über seinen Schädel verliefen, waren deutlich sichtbar. »Aber ich sag dir was. Mit diesem Land ging's den Bach runter, als sie aufhörten, die Leute aufzuknüpfen. Ohne Galgen kann man den Kopf auch nicht mehr aus der Schlinge ziehen.«

Shadow zuckte die Schultern. Zum Tode verurteilt zu sein hatte für ihn nichts Romantisches.

Wenn man allerdings nicht zum Tode verurteilt war, dann war das Gefängnis bestenfalls eine Gnadenfrist, die einem vergönnt war, bevor das Leben weiterging, und zwar aus zwei Gründen. Erstens: Das Leben schleicht sich auch in das Gefängnis ein. Es gibt immer Orte, wo es noch weiter abwärtsgeht, selbst wenn man beim großen Spiel nicht mehr mitspielen darf; das Leben geht weiter, selbst wenn es nur ein Leben unter dem Mikroskop oder ein Leben im Käfig ist. Und zweitens: Wenn man sich zusammenreißt, müssen sie dich irgendwann rauslassen.