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Eine Liebe in NeapelOverlay E-Book Reader

Eine Liebe in Neapel

Roman | Heddi Goodrich

E-Book (EPUB)
2020 Btb Verlag; Giunti
544 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-24588-7

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Neapel in den 90er-Jahren: Die amerikanische Studentin Heddi lebt in einer WG im quirligen Spanischen Viertel. Unten in den engen Gassen ist es selbst im Sommer dunkel, oben glüht die Sonne in die Wohnungen, und der Vulkan wacht über die Stadt. Heddi fühlt sich frei, und ihre Freunde geben ihr die Geborgenheit einer Familie, die sie nie hatte. Eines Tages trifft sie den Geologiestudenten Pietro, ohne große Erklärung überreicht er ihr ein Mixtape mit Liebesliedern. Es ist der Beginn einer großen Liebe. Unerwartet, intensiv und verwirrend. Heddi und Pietro verstehen sich wortlos, und sie sind sich sicher: Ihre Gefühle werden alle Widerstände überwinden.

Heddi Goodrich, geboren 1971 in Washington, kam 1987 das erste Mal nach Neapel. Nach einer kurzen Rückkehr in die USA studierte sie bis Ende der 90er-Jahre in der pulsierenden süditalienischen Stadt. Sie hat einen Abschluss in Linguistik und Literatur. »Eine Liebe in Neapel« war ihr erster Roman, der in Italien monatelang auf der Bestsellerliste stand und von Presse und Publikum begeistert aufgenommen wurde. Heddi Goodrich lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Auckland, Neuseeland.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

»Heddi.«

So hatte schon lange niemand mehr meinen Namen ausgesprochen, als wäre es der Name einer exotischen Spezies. Er sagte ihn in fragendem Ton, aber mit perfekter Aussprache, als hätte er ihn tausendmal geübt - mit jeder Menge Hauch und kurzen Vokalen -, bis er ihm mit der allergrößten Lässigkeit über die Lippen kam. Kein anderes Geräusch im Spanischen Viertel, weder der mörderische Schrei einer betrogenen Frau noch die Gewehrsalve eines Mannes, der Rache übt, hätte mich in jener eisigen Nacht vom warmen Flüstern des Kamins wegtragen können.

Vor mir stand ein Junge, ein Mann, mit erwartungsvoll zusammengekniffenem Mund, als hätte er seine Pflicht und Schuldigkeit getan und jetzt wäre ich dran. Er hatte sein Hemd in die Jeans gesteckt, die Hände bis fast zum Ellbogen tief in die Hosentaschen geschoben, und die Hemdentasche, direkt über dem Herzen, war zum Bersten gefüllt mit einer Schachtel Zigaretten. Er sah ganz anders aus als die anderen Gäste, die mit allen Mitteln, ob es nun Piercings, Rastalocken oder eine ungesunde Blässe waren, versuchten, über ihre glückliche Kindheit mit hausgemachten Kartoffelgnocchi und Ausflügen ans Meer hinwegzutäuschen. Obwohl es schon spät war, hing der Geruch von Patschuli, Haschisch und Klamotten vom Flohmarkt in unserer Küche, vermischt mit den Aromen von abgestandenem Bier und Safranrisotto. Nein, der da gehörte ganz gewiss nicht zu unserer Clique, in der alle an der Orientale, Neapels Universität, studierten. Und trotzdem stand er da, gelassen und ungerührt wie das sprichwörtlich stille Wasser eines tiefen Sees.

»Da, nimm, die hab ich für dich aufgenommen«, sagte er und zog etwas aus seiner Hosentasche. Zweifellos hatte er einen süditalienischen, wenn auch nicht ganz neapolitanischen Akzent. Seine Hand zitterte, ein winziges Beben im sonst stillen Wasser des Sees, als er mir die Kassette gab, die in einer selbstdekorierten Hülle steckte. Für Heddi, stand da, vom großen H bis zu dem winzigen Tintenfleck am Ende, dem Pünktchen über dem i, von dem ich schon fast vergessen hatte, dass es dorthin gehörte.

Ich staunte. Es war genau die Schreibweise meines Namens, die seine Aussprache zum Entgleisen brachte, denn sie machte es leicht, den Namen buchstäblich ins Extrem zu führen, mit diesem melodramatisch gedehnten e und dem gebührend betonten doppelten Konsonanten, den man sich hier im Süden ganz besonders zu Herzen nahm. Hingegen war es verzeihlich, dass dafür das H vollkommen unter den Tisch fiel, denn in Neapel kamen Hauchgeräusche ausschließlich beim Lachen vor. »So wie bei Eddie Murphy?«, fragte man mich oft, ich nickte, und damit hatte sich der Fall. Es machte mir sowieso nicht viel aus. Heddi gab es schon länger, Eddie erst seit einiger Zeit.

»Musik?«, fragte ich ihn, und er nickte, mit deutlich sichtbarem Unbehagen, die Faust fest um eine leere Bierflasche geschlossen.

Das flackernde Kaminfeuer wärmte ebenso angenehm meinen Rücken wie das ahnungslose Gelächter meiner Freunde, die ich liebevoll »die Jungs« nannte. Die Tatsache, dass auch ich dieser Clique angehörte und jederzeit wieder zu ihnen zurückkonnte, schenkte mir das unleugbare Gefühl, vom Glück begünstigt und beschützt zu sein, was ich in genau diesem Moment allerdings als geradezu ungerecht empfand.

Im Stockwerk unter uns fiel die Haustür mit einem dumpfen Knall ins Schloss; wahrscheinlich hatte sich der letzte Gast gerade torkelnd auf den Heimweg gemacht. Der Typ mit der Kassette zuckte sichtlich zusammen, als ihm bewusst wurde, dass die Party, die gerade eben noch um ihn herum getobt hatte, beendet war. Er versuchte seine Verlegenheit zu überspielen, doch ich spürte sie trotzdem, eine Berührtheit, wie ein winziger Schmerz, begleitet von meinem eigenen Bedauern, dass ich wieder mal die Einzige war, die nüchtern geblieben war.

»Ist bestimmt schon spät«, sagte er.

»Ich glaube, ja, aber es gibt nur ein