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Zwischen Welten

Roman | Juli Zeh; Simon Urban

E-Book (EPUB)
2023 Luchterhand Literaturverlag
448 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-30528-4

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»Ein großer Gesellschaftsroman. Passt perfekt in unsere Zeit.« Christhard Läpple, ZDF Heute Journal
Zwanzig Jahre sind vergangen: Als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig.

Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung DER BOTE gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen. Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen.

Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen, sich per E-Mail und WhatsApp gegenseitig aus ihren Welten zu erzählen. Doch während sie einander näherkommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Und können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken?

Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Promotion im Europa- und Völkerrecht. Längere Aufenthalte in New York und Krakau. Schon ihr Debütroman »Adler und Engel« (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Heinrich-Böll-Preis (2019). Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Ihr Roman »Über Menschen« war das meistverkaufte belletristische Hardcover des Jahres 2021. Zuletzt erschien bei Luchterhand der zusammen mit Simon Urban verfasste Bestseller »Zwischen Welten«.



Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Montag, 7. März
15:41 Uhr, Stefan per E-Mail:

Hallo Theresa,

auch wenn ich deine Entscheidung bedauerlich finde, wünsche ich dir Glück. Ich will mich hinter dich stellen, so wie Christian. Vielleicht bin ich dann eines Tages ein weiterer bester Freund.

Bei uns geht's jetzt richtig los. Heute in der Konferenz wurden Leonie und Justin der Redaktion offiziell vorgestellt. Sie werden die Ausgabe in der Produktionsphase inhaltlich begleiten (die gegnerische Fraktion sagt: moralisch indoktrinieren), indem sie den Ressorts Vorschläge machen, wie man möglichst viele Themen - von Wirtschaft bis Sport, von Kultur bis Ausland - mit dem Klimaschutz in Verbindung bringen kann. Einige Kolleg*innen sehen das als Frontalangriff auf ihre Unabhängigkeit. Ärger ist also vorprogrammiert. Aber für diese Idee zu streiten, macht mir sogar Spaß. Sota hat es rundweg abgelehnt, die Konferenz zu eröffnen. »Das erledigst du mal schön selbst«, waren seine Worte.

Leonie und Justin haben sich gleich mal im heiligen Konferenzsaal mit an den großen Tisch gesetzt. Ein Affront! Die Plätze sind fest an die Ressortleiter*innen und ihre Stellvertreter*innen vergeben, alle anderen sitzen in der zweiten Reihe. Aber das wussten die beiden natürlich nicht. Interessanterweise hat niemand etwas gesagt. Die älteren Redakteur*innen schickten Laserblicke, rückten aber zusammen und holten weitere Stühle.

Ich glaube, wir dachten alle, die beiden würden angesichts der altehrwürdigen Tradition des BOTEN verschüchtert auf ihren Plätzen kauern. Zumal Leonie wie ein kleines Mädchen aussieht - geflochtene Zöpfe, die unten aus einer weißen Wollmütze herausgucken, ausgelatschte Superga-Sneaker und ein T-Shirt mit dem Konterfei von Carola Rackete im Che-Guevara-Stil. Ihr Kumpel Justin hat ein freundliches Mondgesicht mit Monchhichi-Frisur und tritt auf wie der Schwarze Block persönlich: Kapuzenpulli, Jeans, Stiefel, Haare, alles schwarz. Früher hätte man solche Kids für Gothic-Fans gehalten. Heute demonstrieren sie für die Umwelt. Times are changing.

Jedenfalls: Ich habe die beiden kurz vorgestellt, dann übernahm Ralf aus der Wissenschaft, der die Ausgabe redaktionell koordiniert. Als er im dritten Satz das Wort »Klimawandel« verwendete, erklang plötzlich Leonies Stimme, ganz ruhig und sicher: »Stopp!«

Stecknadelstille. Ralf stand sprichwörtlich der Mund offen, das passiert ihm sonst nicht. Dann Leonie: »Ich muss hier mal etwas klarstellen, wenn diese Zusammenarbeit funktionieren soll. Also: Ihr seid nicht die Guten! Kapiert?«

Das haben wir nicht kapiert, und außerdem war ihr Tonfall komplett impertinent. Niemand im Raum hat sich gerührt. Als mein Blick zu Sota wanderte, sah ich ihn lächeln, mindestens ironisch, vielleicht sogar ein bisschen schadenfroh.

Leonie weiter, völlig ungerührt: »Es gibt keinen Klimawandel. Es gibt nur eine Klimakatastrophe. Verschuldet von den Bewohner*innen der westlichen Industrieländer, mit anderen Worten: von euch. Ihr habt den Planeten zerstört. Ein größeres Menschheitsverbrechen ist undenkbar. Das ist eure Leistung, das ist eure Geschichte.«

Da saß sie mit ihren Zöpfen und ihrer weißen Wollmütze und erhob Anklage, vernichtende Anklage. Mit allem Recht der Jugend, mit dem Recht der Nachgeborenen. Mir ging es durch Mark und Bein. Die Kolleg*innen saßen wie vom Donner gerührt, manche haben gemurrt. Aber das Härteste kam noch.

»Hitlers Faschisten haben Millionen von Menschen auf dem Gewissen. Aber ihr, ihr bringt Hunderte von Millionen um! Ihr seid die Massenmörder der Toten der Zukunft. Ihr habt die Opfer von Dürre, Flut, Flächenbrand, Hunger und Flucht auf dem Gewissen. Das«, Leonie zeigte mit langem Arm einmal durch den Raum, »das seid ihr. Ihr könnt eine Klima-Ausgabe machen, und wir helfen euch dabei. Aber eins dürft ihr niemals vergessen: Your failure, your fault. Stand by Ukraine!