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Lincoln Highway

Roman | Amor Towles

E-Book (EPUB)
2022 Carl Hanser Verlag Gmbh & Co. Kg; Viking, An Imprint Of Penguin Random House Llc
Auflage: 1. Auflage
576 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-446-27567-6

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€ 19,99

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Nach 'Ein Gentleman in Moskau' der neue Roman von Bestsellerautor Amor Towles: 'Eine ausgelassene Road Novel quer durch Amerika.' Time
Im Juni 1954 wird der achtzehnjährige Emmett aus dem Gefängnis entlassen. Zuhause in Nebraska wartet sein kleiner Bruder Billy auf ihn. Nach dem Tod des Vaters möchten sie einen Neuanfang in Kalifornien wagen, wo sie ihre verschwundene Mutter vermuten. Alles ist bereit für die Fahrt mit dem 48er Studebaker, doch plötzlich tauchen zwei Freunde aus dem Gefängnis auf. Sie haben allerdings ein anderes Ziel, New York City. So beginnt eine Reise mit den witzigsten und unglaublichsten Begegnungen - Clowns, Landstreicher, arbeitslose Schauspieler, Bettler und besonders gefährliche Pastoren. 'Lincoln Highway' erzählt die ergreifende Odyssee von vier vaterlosen Jungen entlang der ersten Autobahn Amerikas.

Amor Towles, geboren 1964 in Boston, Massachusetts, hat in Yale und Stanford studiert. Sein Debüt 'Eine Frage der Höflichkeit' erschien 2011. Sein zweiter Roman 'Ein Gentleman in Moskau' (2016) stand zwei Jahre auf der Bestsellerliste der New York Times, war 2016 Finalist des Kirkus Prize in Fiction & Literature und wurde 2018 für den International Dublin Literary Award nominiert. Seine Werke wurden bislang in über dreißig Sprachen übersetzt. Towles lebt in Manhattan. Bei Hanser erschien zuletzt sein dritter Roman Lincoln Highway (2022).

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Emmett

12. Juni 1954.

Die Fahrt von Salina nach Morgen dauerte drei Stunden, und während der ganzen Zeit hatte Emmett kein einziges Wort gesprochen. Auf den ersten sechzig Meilen oder so hatte sich Direktor Williams bemüht, ein freundliches Gespräch in Gang zu bringen. Er erzählte von seiner Kindheit an der Ostküste und fragte Emmett nach seiner auf der Farm. Aber da sie nicht wieder zusammen sein würden, sah Emmett keinen Sinn darin, das alles aufzurollen. Als sie die Grenze zwischen Kansas und Nebraska überquerten und der Direktor das Radio anschaltete, schwieg Emmett weiter und sah aus dem Fenster, auf die vorüberziehende Prärie hinaus.

Fünf Meilen südlich von Morgen zeigte Emmett durch die Frontscheibe.

»Bei der nächsten Kreuzung geht es rechts ab. Nach sechs Meilen kommt man zu einem weißen Haus.«

Der Direktor fuhr langsamer und bog ab. Sie kamen an dem Haus der McKuskers vorbei, kurz darauf an dem der Andersens mit den zwei identischen roten Scheunen. Und dann sahen sie auch schon Emmetts Haus, das neben einer einzelnen Ulme ungefähr dreißig Meter abseits der Straße stand.

In Emmetts Augen sahen alle Häuser in dieser Gegend so aus, als wären sie vom Himmel gefallen, und das der Watsons schien besonders hart auf den Boden geprallt zu sein. Zu beiden Seiten des Schornsteins hatte sich der First gesenkt, und die Fensterrahmen waren so verzogen, dass die Hälfte der Fenster nicht richtig schlossen und die andere Hälfte sich kaum öffnen ließ. Gleich würden sie sehen, dass an vielen Stellen die Farbe von den Holzschindeln abgeblättert war. Aber etwa dreißig Meter vor der Einfahrt brachte der Direktor den Wagen am Wegrand zum Stehen.

»Emmett«, sagte er und legte die Hände aufs Steuerrad, »bevor wir zum Haus kommen, möchte ich noch etwas sagen.«

Dass Direktor Williams etwas zu sagen hatte, kam nicht unbedingt überraschend. Als Emmett neu in Salina war, gab es einen Direktor, der aus Indiana kam und Ackerly hieß, und der fand es unnötig, Ratschläge in Worte zu kleiden, wenn er sie ebenso gut mit dem Stock austeilen konnte. Aber Direktor Williams war ein moderner Mann, er hatte ein abgeschlossenes Studium und lauter gute Absichten, und hinter seinem Schreibtisch hing ein gerahmtes Foto von Franklin D. Roosevelt. Seine Vorstellungen stützten sich auf Bücher und eigene Erfahrungen, und er verfügte über einen reichen Wortschatz, um seine Ratschläge zu formulieren.

»Für manche der jungen Menschen, die nach Salina kommen«, begann er, »ist der Aufenthalt bei uns, was immer die Gründe waren, warum sie zu uns geschickt wurden, der Beginn eines langen Lebens voller Schwierigkeiten. Es sind Jungen, die von klein auf den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht gelernt haben und nicht einsehen, warum sie ihn später noch lernen sollten. Die Werte und Zielvorstellungen, die wir ihnen mitzugeben versuchen, werden sie wahrscheinlich in dem Moment, da sie unseren Blicken entschwinden, abschütteln. Leider ist es für diese Jungen nur eine Frage der Zeit, bis sie sich in der Strafanstalt von Topeka wiederfinden, wenn nicht schlimmer.«

Der Direktor wandte sich Emmett zu.

»Was ich sagen will, Emmett - du bist nicht einer von denen. Wir kennen uns erst seit kurzem, aber in unserer gemeinsamen Zeit habe ich verstanden, dass der Tod des Jungen schwer auf deinem Gewissen lastet. Niemand glaubt, dass das, was an dem Tag geschah, einer Bösartigkeit in deinem Wesen entsprang. Vielmehr war es ein unglücklicher Zufall. Aber unsere Gesellschaft verlangt, dass auch derjenige, der ohne Absicht ein Unglück verursacht, einen Preis dafür zahlt. Natürlich soll die Strafe in erster Linie den Leidtragenden - in dem Fall der Familie des Jungen - Genugtuung verschaffen. Aber in unserer zivilisierten Gesellschaft verlangen wir auch, dass die Strafe demjenige