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Ein Bronski Krimi | Bernhard Aichner

E-Book (EPUB)
2022 Btb Verlag
352 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-27309-5

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€ 12,99

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Frühling der Wunder. Deutschland erlebt das Unfassbare. Ein Blinder kann plötzlich wieder sehen, ein Terroranschlag wird verhindert, und eine Prophezeiung erschüttert das ganze Land.

Verantwortlich dafür ist ein Mann, der aus dem Nichts kam. Ein Mönch, unscheinbar und bescheiden, das Volk glaubt an einen neuen Messias. Nur David Bronski und seine Kollegin Svenja Spielmann zweifeln. Sie machen sich auf die Suche nach der Wahrheit und decken den ungeheuren Plan eines Wahnsinnigen auf.

Bernhard Aichner (1972) lebt als Schriftsteller und Fotograf in Innsbruck. Er schreibt Romane, Hörspiele und Theaterstücke. Für seine Arbeit wurde er mit mehreren Literaturpreisen und Stipendien ausgezeichnet, zuletzt mit dem Burgdorfer Krimipreis 2014, dem Crime Cologne Award 2015 und dem Friedrich Glauser Preis 2017.

Die Thriller seiner 'Totenfrau'-Trilogie standen monatelang an der Spitze der Bestsellerlisten. Die Romane wurden in 16 Länder verkauft, u.a. auch nach USA und England. Mehrere seiner Romane wurden verfilmt, u.a. seine Totenfrau-Trilogie für Netflix/ORF.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

EINS

Erich Corga verlor den Verstand.

Er hatte die Kirche betreten und alle Türen abgesperrt. Den Haupteingang, die Tür zur Sakristei und auch den Aufgang zur Orgelkammer. Es war wie ein Sturm, der still und leise aufgezogen war. Wut, die sich plötzlich entlud. Unheil, das immer größere Ausmaße annahm. Bruder Erich Corga stürmte durch das Kirchenschiff und randalierte.

Es schien, als wäre der Teufel in ihn gefahren.

Er zerrte an Tüchern, riss Kerzenleuchter mit sich und warf Heiligenfiguren durch die Luft. Und als wäre das nicht genug, kletterte der Wahnsinniggewordene auch noch auf den Altar. Corga war wie von Sinnen. Er zerschlug, was noch heil war. Es war ein unwürdiges Schauspiel.

Und Bruder Hermann war Zeuge davon.

Er hatte die Orgel gespielt, Corga zuerst gar nicht bemerkt. Jetzt aber stand Bruder Hermann hilflos auf dem Chor und starrte nach unten. Konnte nicht fassen, was sein Mitbruder da machte. Er wollte ihn aufhalten, rief ihm beruhigende Worte zu.

Doch er konnte nichts tun.

Es war das traurige Ende einer Geschichte.

Eine, die vor vierzehn Jahren seinen Anfang genommen hatte.

Bruder Erich Corga war seit dem Tag, an dem er ins Kloster eingetreten war, immer ein friedfertiger Mensch gewesen. Niemandem hatte er je etwas zuleide getan. Er war scheu, zog sich gerne zurück, trotzdem war er hilfsbereit und freundlich, Aggression war ihm stets fremd gewesen. Umso entsetzter war Bruder Hermann, als er jetzt sah, wozu der stille und in sich gekehrte Pater fähig war. Der Zorn im Gesicht des Mannes, der jede Kontrolle über sich verloren hatte, machte Hermann Angst.

Dieses Gesicht. Diese Fratze.

Und Augen, die keine waren.

Denn Erich Corga war blind.

Bei einem Autounfall vor vierzehn Jahren hatte er sein Augenlicht verloren. Er war ins Kloster eingetreten, um Frieden zu finden.

Hermann hatte sich um ihn gekümmert, ihm das Ankommen leichter gemacht. Das bescheidene Leben am Berg, die Einsamkeit, die alltäglichen Rituale des Klosterlebens, Hermann hatte ihm alles nähergebracht. Er hatte Erich seine Freundschaft angeboten, ihm dabei geholfen, sich an ein Leben ohne Licht zu gewöhnen. Ihm die Wege gezeigt, ihn wochenlang durch die Gänge begleitet, ihm gesagt, worauf er achten müsse, welche Gefahren lauerten.

Hermann hatte sich um ihn bemüht. Von Anfang an.

Sein oberstes Ziel war es gewesen zu helfen.

In der Klosterbibliothek hatte er seine Bestimmung gefunden, bis zu diesem Zeitpunkt war er nur von der Liebe zu seinen Büchern erfüllt gewesen, Hermann hatte es sich zur Aufgabe gemacht, dem armen Kerl das Leben im Kloster so leicht wie möglich zu machen. Erich sollte sich wie zu Hause fühlen. Aufgehoben und geliebt. Und Hermann verlor sein Herz.

Von Tag zu Tag mehr.

Er verliebte sich in den Fremden, obwohl da dieser Makel war. Oder vielleicht gerade deswegen. Hermann war beeindruckt. Fasziniert von der Tatsache, dass es keine Schönheit mehr im Leben des Novizen gab.

Erichs Gesicht war entstellt.

Zerschnittene Haut an der Stirn, den Schläfen, im Augenbereich. Zusammengenäht und vernarbt. Der Unfall, bei dem auch seine Eltern gestorben waren, hatte Erich aus der Bahn geworfen. Er hatte es auch nach Monaten, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, nicht geschafft, zurück in die Spur zu finden. Sich wieder im Alltag einzuordnen.

Da war nur noch Dunkelheit gewesen.

Bitte hilf mir, hatte er zu Hermann gesagt, als er im Kloster angekommen war.

Und Hermann half. Über drei Jahre lang war er für Erich da. Hörte ihm zu, unterhielt ihn, teilte seinen Schmerz. Alles hätte er für Corga getan. Er konnte gar nicht anders. Für ein bisschen Zärtlichkeit wäre er sogar gestorben für ihn.

Für eine Berührung.

Einen Kuss.

Doch was sich Hermann wünschte, es geschah nicht. Weder damals noch später. Corg