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Alles, was wir sindOverlay E-Book Reader

Alles, was wir sind

Roman | Lara Prescott

E-Book (EPUB)
2019 Aufbau Digital; Alfred A. Knopf, A Division Of Penguin Random House, Llc, New York
Auflage: 1. Auflage
480 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-8412-1808-7

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€ 8,99

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Die wahre Geschichte hinter dem größten Liebesroman des 20. Jahrhunderts. Moskau, 1949: Olga Iwinskaja, Geliebte des großen Boris Pasternak, wird verhaftet. Man will verhindern, dass Pasternaks Roman 'Doktor Shiwago' vollendet wird, doch Olga hält an ihrer Liebe fest - und inspiriert Boris zu der legendären Geschichte von Lara und Juri. Zugleich will die CIA mit einer einzigartigen Waffe den Widerstand in der Sowjetunion wecken - mit Literatur, mit 'Doktor Shiwago'. Für die Mission wird die junge Irina angeworben und von der erfahrenen Agentin Sally ausgebildet, doch schon bald entdeckt sie ein gefährliches Geheimnis über sich selbst. Es beginnt eine riskante Hetzjagd auf ein Buch, das den Lauf der Welt verändern soll ... 'Die Geschichte hinter Doktor Schiwago, großartig recherchiert und fesselnd erzählt.' Freundin. 'Wow-Mix aus Thriller, Liebesgeschichte und historischem Roman um Boris Pasternaks Weltbestseller 'Doktor Shiwago'.' ELLE. 'Ein feministischer Pageturner.' Brigitte Woman. 'Ein Buch über Politik, Macht und vor allem über Liebe - genau wie es 'Doktor Schiwago' damals war.' Westdeutsche Allgemeine Zeitung. 'Prescott webt um die Liebesgeschichte einen Agententhriller, den man nicht mehr aus der Hand legen will.' Gala. 'Lara Prescott erzählt in ihrem Roman die unglaubliche Geschichte hinter 'Doktor Schiwago'.' emotion.



Lara Prescott, geboren 1981 in Pennsylvania, studierte als Stipendiatin am Michener Center for Writers. Ihre Geschichten erschienen in literarischen Zeitschriften und wurden mehrfach ausgezeichnet. Alles, was wir sind ist ihr Debütroman, für den sie jahrelang in Russland, Europa und den Archiven der CIA recherchierte. Sie lebt in Austin, Texas. Mehr unter www.laraprescott.com Ulrike Seeberger studierte Physik und lebte zehn Jahre in Schottland. Sie übertrug u.a. Autoren wie Greg Iles, Oscar Wilde oder Annabel Abbs ins Deutsche.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Prolog
Die Stenotypistinnen

Wir tippten hundert Worte die Minute und ließen nie eine Silbe aus. Unsere Schreibtische waren identisch und jeweils mit einer Royal-Quiet-Deluxe-Schreibmaschine mit mintfarbenem Gehäuse, einem schwarzen Western-Electric-Telefon mit Wählscheibe und einem Stapel gelber Stenoblöcke ausgestattet. Unsere Finger flogen über die Tasten. Das Klappern erklang ununterbrochen. Wir legten nur eine Pause ein, um ans Telefon zu gehen oder kurz an der Zigarette zu ziehen; einige von uns schafften beides, ohne auch nur eine Sekunde innezuhalten.

Die Männer trudelten gewöhnlich gegen zehn ein. Einer nach dem anderen riefen sie uns in ihre Büros. Wir hockten auf kleinen Stühlen, in eine Ecke gequetscht, sie dagegen saßen hinter ihren großen Mahagonischreibtischen oder gingen auf dem Teppich auf und ab, während sie ihre Worte an die Zimmerdecke richteten. Wir hörten zu. Wir schrieben mit. Wir waren das Ein-Personen-Publikum für ihre Memos, Berichte, Aufzeichnungen, Mittagessenbestellungen. Manchmal vergaßen sie, dass wir da waren, und wir erfuhren noch viel mehr: wer gerade versuchte, wen rauszuboxen, wer Machtspielchen spielte, wer eine Affäre hatte, wer obenauf war und wer ganz unten.

Manchmal riefen sie uns nicht beim Namen, sondern benannten uns nach Haarfarbe oder Körpertyp: Blondie, Rotschopf, Titten. Auch wir hatten unsere geheimen Namen für sie: Grapscher, Kaffeerachen, Schiefzahn.

Sie nannten uns Mädels, aber das waren wir nicht.

Wir waren über Radcliffe, Vassar, Smith zur Agency gekommen. Wir waren die ersten Töchter in unseren Familien, die einen Universitätsabschluss hatten. Manche von uns sprachen Mandarin. Manche konnten Flugzeuge steuern. Einige von uns konnten besser mit einem Colt 1873 umgehen als John Wayne. Aber alles, was man uns bei den Vorstellungsgesprächen fragte, war: »Können Sie tippen?«

Man sagt, die Schreibmaschine sei für Frauen wie gemacht - man brauche, um die Tasten wirklich zum Singen zu bringen, eine weibliche Hand, erst unsere schmalen Finger passten ideal zu diesem Gerät. Dass die Männer zwar Anspruch auf Autos und Bomben und Raketen erhöben, doch die Schreibmaschine uns ganz allein gehöre.

Nun, da sind wir uns nicht ganz sicher. Aber was wir sagen können, ist, dass unsere Finger beim Tippen zur Erweiterung unseres Gehirns wurden, es gab nicht die geringste Verzögerung zwischen den Wörtern, die aus den Mündern der Männer kamen - Wörtern, von denen sie uns sagten, dass wir sie nicht in Erinnerung behalten sollten -, und dem Aufprall unserer Typen, die die Tinte aufs Papier klatschten. Und wenn man so über die Mechanik hinter all dem nachdenkt, ist die Sache beinahe poetisch. Beinahe.

Aber galt all unser Streben wirklich dem Spannungskopfschmerz und den wehen Handgelenken und der schlechten Haltung? War es das, wovon wir in der High School träumten, als wir doppelt so eifrig lernten wie die Jungs? Hatten wir Schreibarbeiten vor Augen, als wir die dicken braunen Umschläge aufrissen, in denen unsere Zusage fürs College steckte? Oder was dachten wir, wohin unser Weg uns führen würde, als wir mit Hut und Talar auf unseren weißen Holzstühlen saßen und die aufgerollten Urkunden in Empfang nahmen, die uns versprachen, wir wären für so viel mehr qualifiziert?

Die meisten von uns sahen den Job im Schreibpool als Übergangslösung. Wir hätten es niemals laut zugegeben - nicht einmal untereinander -, aber viele von uns glaubten tatsächlich, dies wäre die erste Sprosse auf der Leiter, auf der wir das erreichen würden, was die Männer sofort nach dem College bekamen: Anstellungen als Staatsbeamte; unser eigenes Büro mit Lampen, die schmeichelhaftes Licht verbreiteten, mit weichen Teppichen und Holzschreibtischen; unsere eigenen Stenotypistinnen, die unser Diktat aufnahmen. Wir betrachteten es als Anfang, nicht als Endstation, trotz all dem, was man uns unser Leben lang einge