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Middlemarch

Aus dem Leben der Provinz | George Eliot

E-Book (EPUB)
2015 Red Ediciones
1635 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-84-9007-972-0

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€ 4,99

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Als der junge Arzt Tertius Lydgate aus Paris nach England zurückkehrt und sich in der kleinen Stadt Middlemarch in den Midlands niederlässt, ist er erfüllt von ehrgeizigen Plänen und großen Hoffnungen. Denn um 1830 sind in England nicht nur Wirtschaft und Industrie im Umbruch, auch die Politik ist durch Reformbewegungen unter Druck, während in der Medizin noch Ansichten und Praktiken herrschen, die dem aufstrebenden Arzt geradezu barbarisch anmuten. Lydgate findet in dem reichen Bankier Nicholas Bulstrode einen Gleichgesinnten, der, wenn auch aus ganz anderen Motiven, ebenfalls der Meinung ist, dass die Verhältnisse dringend der Verbesserung und Reform bedürfen. Doch je mehr Einblick Lydgate in die zwar provinziellen, aber komplexen Middlemarcher Kreise bekommt, umso klarer wird ihm, dass auch in einer Kleinstadt die großen Themen den Lauf der Dinge bestimmen, denn Neid, Missgunst und Intrigen, religiöser Eifer, reaktionäre und fortschrittsfeindliche Ansichten, familiäre und romantische Beziehungen, Standesdünkel und nicht zuletzt das liebe Geld lassen in Lydgate die Erkenntnis reifen, dass nur mit hehren Zielen und Idealismus noch nichts erreicht ist. Als dann sein Förderer Bulstrode von seiner Vergangenheit eingeholt wird, die mit dem religiös-moralisierenden Wesen des Bankiers so gar nicht in Einklang zu bringen ist, muss Lydgate zum ersten Mal fürchten, dass seine Pläne, Wünsche und Ziele trotz allen Ehrgeizes und Geschicks möglicherweise doch unerreichbar bleiben. Und auch andere Middlemarcher Persönlichkeiten stellen fest, dass das Rütteln an bestehenden Verhältnissen sich nicht so einfach gestaltet wie gedacht. George Eliot (bürgerlich Mary Ann Evans) veröffentlichte 'Middlemarch' ursprünglich zwischen 1871 und 72 in acht einzelnen Büchern. Heute gilt der Roman über die fiktive Kleinstadt mit ihren zahlreichen Protagonisten, der meisterlichen Charakterdarstellung und den vielfach ineinander verwobenen Handlungssträngen, in dem die Autorin auf zeitlose Art die großen Themen und Probleme ihrer Zeit verarbeitet, als bestes Werk Eliots und als eines der wichtigsten Bücher der viktorianischen Literatur. Die BBC verfilmte 'Middlemarch' zuletzt 1994 mit großem Erfolg. Überarbeitete Fassung auf Basis der Übersetzung von Emil Lehmann.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1. Kapitel

"Since I can do no good because a woman,
Reach constantly at something that is near it." - The Maid's Tragedy: BEAUMONT AND FLETCHER. 1

Miss Brooke gehörte zu jenen Schönheiten, denen eine dürftige Kleidung zur Erhöhung ihrer Reize zu dienen scheint. Ihre Hand und ihr Handgelenk waren so schön geformt, daß sie getrost Ärmel tragen konnte, die ebenso stillos waren wie die, in denen die heilige Jungfrau den alten italienischen Meistern erschien, und ihr Profil sowohl wie ihre ganze Gestalt und ihre Haltung schienen durch ihre einfache Kleidung nur an Würde zu gewinnen, so daß ihre ganze Erscheinung inmitten der Modedamen der Provinz den Eindruck eines schönen Zitats aus der Bibel - oder eines alten Dichters - in einem Zeitungsartikel machte. Man bezeichnete sie allgemein als sehr gescheit, fügte aber regelmäßig hinzu, daß ihre Schwester Celia mehr gesunden Menschenverstand habe. Gleichwohl trug Celia kaum mehr Besatz an ihren Kleidern, und nur sehr scharfe Beobachter nahmen wahr, daß ihre Kleidung sich doch in etwas von der ihrer Schwester unterschied und mit einer Nuance von weiblicher Koketterie arrangiert war, denn die einfache Toilette Miss Brookes hatte ihren Grund in verschiedenen Ursachen, von denen die meisten auch für ihre Schwester maßgebend waren. Das stolze Bewußtsein, Ladys zu sein, war eine dieser Ursachen: die Familie der Brookes war, wenn auch nicht gerade eine aristokratische, doch unstreitig eine sehr "gute"; wenn man ihrer Herkunft eine oder zwei Generationen weit nachging, so fand man unter den Voreltern keine Handwerker oder Detaillisten, sondern nichts Geringeres als einen Admiral und einen Geistlichen, und wenn man den Stammbaum noch weiter zurückverfolgte, so kam man auf einen puritanischen Gentleman, der unter Cromwell gedient, sich aber später wieder der Staatskirche angeschlossen und sich als Eigentümer eines respektablen Grundbesitzes allen politischen Verfolgungen zu entziehen gewußt hatte. Junge Damen von solcher Herkunft, die in einem ruhigen Hause auf dem Lande lebten und eine Dorfkirche besuchten, die kaum größer war als ein Wohnzimmer, betrachteten natürlich allen Putz als den Gegenstand des Ehrgeizes einer Krämerstochter. Ferner bestand in guten Familien damals noch eine Sparsamkeit, die die Toilette als denjenigen Ausgabeposten betrachtete, der sich zuerst zu einer Einschränkung eigne, wenn es notwendig erschien, gerade im Interesse der gesellschaftlichen Stellung das Budget durch Vergrößerung anderer Ausgaben zu belasten. Diese und ähnliche Gründe würden, ganz abgesehen von religiösen Gefühlen, hingereicht haben, eine einfache Toilette zu erklären; in Miss Brookes Fall aber würde die Religion allein ein genügendes Motiv gewesen sein, und Celia schloß sich allen Empfindungen ihrer Schwester in ihrer milden Weise an, nur daß sie dieselben mit jenem gesunden Menschenverstand durchdrang, der sich bedeutungsvolle Doktrinen ohne jede exzentrische Aufregung anzueignen weiß. Dorothea wußte viele Stellen aus Pascals " Pensées " 2 und aus Jeremy Taylor 3 auswendig, und die Bestimmung der Menschheit, wie sie dieselbe im Lichte des Christentums ansah, ließ ihr das Interesse für weibliche Moden als eine tollhäuslerische Beschäftigung erscheinen. Sie vermochte die Bekümmernisse eines Seelenlebens, bei denen es sich um Folgen für die Ewigkeit handelte, nicht mit den nichtigen Sorgen für die Raffinements einer modernen Toilette in Einklang zu bringen. Ihre Geist war theoretisch, und ihre Natur verlangte nach einer einheitlichen und bedeutenden Auffassung der Welt, in der das Kirchspiel Tipton und die Art ihres Lebens in demselben ungezwungen einen Platz finden möchten; sie hatte eine leidenschaftliche Vorliebe für alles Große und Gewaltige, und ihre Sympathie war sofort allem, was dieser Neigung zu entsprechen schien, gewonnen; sie war sehr geneigt, ein Märtyrertum zu suchen, dann i