Rezensionen

Rote Kreuze
 

Lilli33


Dieser Roman konnte mich leider nicht erreichen


Inhalt:
Alexander bezieht seine neue Wohnung. Da macht er die ungewollte Bekanntschaft seiner Nachbarin, der über 90-jährigen Tatjana, die ihm sogleich ein Gespräch aufdrängt. So erfährt Alexander zwischen Tür und Angel die Lebensgeschichte der alten Frau.

Meine Meinung:
Hauptsächlich geht es hier um die Stalin-Ära, um die „Säuberungen“, willkürliche Unterdrückung der Sowjetbürger. Eigentlich ein sehr interessantes Thema, wie ich finde. Ich hatte hohe Erwartungen an die Erzählungen der alten Tatjana. Doch leider konnte mich die Geschichte überhaupt nicht abholen. Ich schreibe dies dem nüchternen, relativ emotionslosen, mehr berichtartigen Schreibstil zu.

Im Klappentext ist die Rede von einer unerwarteten Freundschaft und dass die beiden Protagonisten ineinander das eigene gebrochene Herz erkennen. Weder das eine noch das andere konnte ich aus der Erzählung herauslesen.

Fazit:
Der Roman ist sicher nicht schlecht, aber mich konnte der Autor leider nicht begeistern.

Florian Lechner


Rote Kreuze

Nach einer persönlichen Katastrophe beschließt Sasha, sich in Minsk niederzulassen und ein neues Leben zu beginnen. Eines Tages entdeckt er ein rotes Kreuz an seiner Tür. Wie sich herausstellt, dient es seiner an Alzheimer erkrankten Nachbarin als Orientierungshilfe. Widerwillig nimmt er ihre Einladung auf einen Tee an, doch schon bald hört er gebannt der tragischen Lebensgeschichte Tatjanas zu, die von den unfassbaren Grausamkeiten des Stalin Regimes geprägt ist. Immer wieder tauchen rote Kreuze auf, sei es als Markierungen in Listen, als Internationales Rotes Kreuz oder als Grabstein. Durch die Verwendung historischer Dokumente und Gedichte aus der Zeit verleiht Filipenko seinem Text größtmögliche Authentizität. Ein erschütternder Roman über den Sinn des Lebens in wirklich schweren Zeiten.

Barbara Kumpitsch


Rote Kreuze

Die humanitäre Hilfe des Roten Kreuzes hat in Russland während des Stalinterrors kaum gefruchtet. Jede Liste mit russischen Kriegsgefangenen wurde nie weitergegeben oder bearbeitet. Tatjana, mittlerweile schon über neunzig und sehr vergesslich, hat nicht vergessen, was ihr Schreckliches angetan wurde. Auch Alexander, ihr neuer Nachbar, hat trotz seiner jungen Jahre Schlimmes erlebt. Tatjana ist unnachgiebig und erzählt ohne Punkt und Komma und Alexander kann sich ihr nicht mehr entziehen. Und auch der Leser ist ab der ersten Seite gefangen. Sasha Filipenko ist nämlich ein witziger Russe, der ein grausliches Kapitel der russischen Geschichte ausgegraben hat, und so erzählt, dass der Leser sich ihm vorbehaltlos hingibt!

Selina


Sasha Filipenko „Rote Kreuze“

Ein Buch, das nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern auch eine hat.
In “Sasha Filipenko´s “Rote Kreuze” trifft Alexander, dessen Leben brutal entzwei gerissen wurde, auf Tatjana Alexejewna, seine neue Nachbarin, bei der vor kurzem Alzheimer diagnostiziert wurde. Die alte Dame erzählt Alexander ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20.Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Eine einzigartiger Roman, der daran erinnern soll, dass Geschichte nicht in Vergessenheit geraten darf.

begine


Das russische 20. Jahrhundert


Der Weißrussische Schriftsteller Sasha Filipenko konnte mich mit seinem Roman „Rote Kreuze“ begeistern. In seiner Vita steht das er Fußballfan ist, so lässt er seinen Protagonisten Schiedsrichter werden.

Es fängt mit dem Schicksal Alexander an, er wird zu einem alleinerziehenden Vater.
Als er in seine neue Wohnung zieht, lernt er seine 90jährige Nachbarin Tatjana Alexejewna kennen, die ihm ihre Geschichte aufzwingt. Sie leidet an Demenz und malt rote Kreuze an die Türen um immer zurückzufinden.
Alex gewöhnt sich an sie und sie erfährt er warum sie im Lager war.
Es ist erschütternd zu erfahren, das die Familie bestraft und auseinander gerissen wird, nur weil der Mann in Kriegsgefangenschaft gerät. Obwohl mir das bekannt war, ist es zu lesen, ziemlich traurig.
Tatjana hat ja eigentlich noch Glück, das sie für den Kommandanten die Korrespondenz machen muss. Aber sie erfährt nicht wo ihre Tochter und ihr Mann sind.

Der Autor hat einen fesselnden Stil, der mich in seinen Bann ziehen konnte. Die eingefügten Gedichte und Lieder sind stimmig und passen gut dazu.
Da noch mehr Bücher von ihm übersetzt werden sollen, freue ich mich auf sie.


Marie aus E.


Schmales Buch, schreckliche Geschichte

Sasha Filipenko erzählt uns die Geschichte von Tatjana:
Inzwischen ist sie 90 Jahre alt und sie hat Krieg und Stalin-Terror miterlebt und überlebt und will nun unbedingt ihre Lebensgeschichte erzählen. Da trifft es sich vorzüglich, dass gerade ein neuer Nachbar einzieht und ob er will oder nicht (er will nicht...), er muss sie sich anhören.

Tatjanas Geschichte ist schrecklich - ein Mann in Kriegsgefangenschaft, von der Tochter getrennt, "Umerziehungsstraflager" und dann noch fast lebenslang Gewissensbisse. Aber auch der junge Nachbar, Alexander, hat eine Geschichte zu erzählen.

Obwohl die Schicksale betroffen machen, sehr sogar, hat das Buch insbesondere anfangs eine eigenartige Distanz oder Emotionslosigkeit in der Erzählart. Das empfand ich die ersten Abschnitte sehr irritierend, aber rückblickend gar nicht negativ. Das Buch hätte ich sogar in den öffentlichen Verkehrsmitteln lesen können, ohne Mitfahrende wegen feuchter Augen zu irritieren.
Mit zunehmenden Buchfortschritt wurde jedoch auch meine Verbundenheit insbesondere mit Tatjana enger und mich hat ihre Geschichte dann auch immer mehr berührt.

Alexander blieb für mich jedoch eine eher blasse Figur, der Fokus der Geschichte liegt aber auch eindeutig auf Tatjana.
Von der unerwarteten Freundschaft, die die beiden laut Buchbeschreibung schließen, habe ich mir allerdings mehr erwartet, einen Pakt gegen das Vergessen, ja den haben sie letztendlich aber tatsächlich geschlossen.

Ich habe festgestellt, dass ich nicht besonders viel über den Stalin-Terror weiß und fand das Buch, das mit Originaldokumenten aufwartet, auch dahingehend sehr interessant.

Insgesamt ein Buch, das sich zu lesen lohnt.

Aloisia Prenninger




Lust auf russische Geschichte? Nein! Dann lesen Sie dieses Buch! Es geht darin nämlich um russische Geschichte!

Alexander kauft eine Wohnung und mit ihr auch irgendwie seine alte demente Nachbarin Tatjana. Mit ihrer Lebensgeschichte zwangsbeglückt sie ihn anfangs, später wird es für ihn zum Zwang ihr noch so viel wie möglich zu entlocken, bevor sie es unwiederbringlich vergisst. All das vor dem Hintergrund seiner eigenen verqueren, privaten Situation.

Fast ein Jahrhundert russische Geschichte durchlebt man so nebenher, ein Roman, der immer mehr und mehr Fahrt aufnimmt und eine große Empfehlung!

yellowdog


Eigenwillige Prosa

In Rote Kreuze kommen im Jahr 2000 in Minsk zwei sehr unterschiedliche Menschen, die aber Nachbarn sind, miteinander ins Gespräch.
Der Anfang zwischen ihnen ist holprig, doch schließlich bindet sie ihre schwierige Vergangenheit miteinander. Um den jungen Alexander gibt es das Geheimnis, dass man anfangs nicht weiß, warum er alleinerziehender Vater eines 3 Monate alten Mädchens ist.
Seine Nachbarin Tatjana Alexejewna ist über 90 Jahre alt und scheut sich nicht, freimütig ihre lange, leidvolle Lebensgeschichte zu erzählen.
Das beinhaltet auch jahrelange Gefangenschaft und Verlust der Familie im Gulag sowie eine Geschichte um Schuld.

Die Handlung benötigte für mich ein wenig, um in Schwung zu kommen, doch dann konnte mich die Geschichte wirklich packen.
Manche Passagen sind stärker als andere. Zum Glück sind sie in der Mehrzahl und teilweise wirklich bewegend.
Sasha Filipenkos eigenwilliger Stil konnte mich überzeugen und ich hoffe auf weitere Übersetzungen seiner Bücher.

barbara.liest


Einblick in zwei Leben

Sasha Filipenko schafft mit Rote Kreuze ein Buch das sehr zum Nachdenken anregt.
Die Geschichte von Tatjana Alexejwna ist sehr berührend und man wird sehr direkt mit den Vorgehensweisen in der Sowjetunion in der Stalin-Zeit konfrontiert.
Paralell dazu gibt es kurze Einblicke in die ebenfalls tragische Geschichte des Alexander, der als Witwer mit einer drei Monate alten Tochter neben der an Alzheimer erkrankten Dame einzieht.
Rote Kreuze zieren das Haus, damit Tatjana sich zurechtfindet, Rote Kreuze zieren auch ihr Leben.

Ein stark geschichtebezogener Roman, der manchmal etwas sprunghaft scheint, am Ende jedoch abgerundet und in sich abgeschlossen ist.
Für alle Russland- und Geschichteinteressierten ein tolles Buch finde ich.

Tara


Ein Stück russische Geschichte

„Rote Kreuze“ ist ein sehr eindringlicher Roman des weißrussischen Schriftstellers Sasha Filipenko.

Tatjana Alexejewna ist über 90 Jahre, einsam und vergesslich. Alexander ist jung und zieht neben die alte Dame, die das Bedürfnis hat ihre Lebensgeschichte zu erzählen, bevor zu alles vergisst. Durch ihre Erzählungen erfährt man viel über die russische Geschichte während und nach dem Zweiten Weltkrieg und über Tatjanas Zeit im Straflager. Auch Alexander beginnt über sein Leben und seine Schicksalsschläge zu berichten.

Anfangs beginnt die Geschichte sehr lebendig, später wird der Schreibstil eher sachlich, berichtend und fast nüchtern. Die Distanz, die dadurch aufkommt, fand ich fast wohltuend, weil die Erlebnisse von Tatjana sehr bewegend und grausam sind.

Die Erzählperspektive wechselt immer wieder zwischen den beiden Protagonisten und um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um Fiktion handelt, sondern um grausame Realität, gibt es immer wieder Aktenvermerke und Notizen, die die Ereignisse noch eindringlicher machen.

Das Buch ist bewegend, mitreißend, erschreckend und voller Grausamkeiten, die nicht vergessen werden dürfen. Trotzdem ist es Sasha Filipenko gelungen auch ein wenig Humor einfließen zu lassen.

Wer sich für russische Geschichte interessiert, sollte das Buch unbedingt lesen. Es vermittelt ein Stück Geschichte, über die viel zu wenig gesprochen wird.

HEYN Leserunde Petra Hesse


Lernen Sie Geschichte, oder: Das Wechselspiel von Erinnern und Vergessen

Wie schreibt man einen Roman über die menschenverachtende Unterdrückung im Stalinismus? Die gefühlsmäßige Anteilnahme soll nicht dominieren – Kitschgefahr! –, sie soll aber auch nicht programmatisch ausgeschlossen sein wie in wissenschaftlichen Texten.

Filipenko wählt eine erzählerische Doppelstrategie: Er konfrontiert einen jungen Ich-Erzähler der postsowjetischen Ära mit einer alten, dement-vergesslichen Nachbarin und Augenzeugin des GULAG. Diese orientiert sich mittels roter Kreuze, die sie im Treppenhaus anbringt; zugleich liefern (reale) Archivmaterialien des Roten Kreuzes einen Schlüssel zum Schicksal ihres kriegsgefangenen Mannes. Auch andere Aspekte der historischen Thematik haben eine wiedererkennbare Entsprechung in der Realität, so unglaublich das auch scheinen mag (Generalverdacht auf Verrat bei überlebenden Kriegsgefangenen, Sippenhaft u. ä.).

Das Schicksal des jungen Ich-Erzählers hat hingegen seine individuelle Tragik, die mit der kollektiven kontrastiert und die er seinerseits vergessen möchte. Ähnlichkeit zwischen beiden Fällen schafft andererseits das Aufwachsen eines Kindes ohne Mutter. So pendelt die Lektüre zwischen dem Wiedererkennen kollektiver und dem Entdecken individueller Aspekte des Erzählens, zwischen der Unausweichlichkeit des Erinnerns und der Sehnsucht nach Vergessen, und es bleibt spannend bis zur letzten Seite.

nil_liest


Gegen das Vergessen und ein Gedenken für die Opfer!

Es gibt einige russische Autoren, die mich durch die schiere Seitenzahlen erschlagen, gut und gerne werde da mehr als 1000 Seiten gefüllt. Nun kommt Sasha Filipenkos Roman „Rote Kreuze“ (im Original: „Krasny Krest“/2017) auf Deutsch im Verlagshaus Diogenes raus und siehe da: Exzellent geht auch auf rund 280 Seiten!
Dieser Roman erzählt die Lebensgeschichte der über 90jährigen Tajana Alexejewna, die an Alzheimer erkrankt ist. Sie erzählt ihre Geschichte dem neunen jungen Nachbarn Alexander, der soeben nach Minsk zog, weil er seine Frau verlor und ein Baby bekam. Die beiden nähern sich auf ihre Weise an. Der Kern des Romans ist das grausame Sowjetregime und wie sie mit dem eigenen Volk nach Kriegsende umgegangen sind. Ein perfides Regime -dieser Roman erhebt die Stimme für viele die es nicht mehr können. Mit voller Wucht, aber ohne Pathos, wird einem am Einzelschicksal deutlich gemacht was für eine Maschinerie der Absurdität die Sowjetunion war.
Der Roman ist sprachlich toll geschrieben und durchzogen mit vereinzelten Gedichten. Hier zwei Zitate, die den Ton des Romans wunderbar wiedergeben: “Genau wie die Sowjetunion war ich in meiner Hässlichkeit stabil.” (S. 38) oder auch „Alle hatten es schwer, aber wir gewöhnten uns daran, weil die Tragödie zur Norm geworden war.“ (S. 69)
Bisher sind vier Romanen von Sasha Filipenko erschienen. Dies ist der erstes ins Deutsche übersetzte und das sehr hervorragend von Ruth Altenhofer. Ich hoffe nun das die anderen 3 auch in Kürze im Diogenes Verlag erscheinen für den deutschsprachigen Raum.

Fazit: Für alle die sich kritisch mit der Sowjetunion in literarischer Form auseinandersetzen wollen.