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Lassiter 2470

Flucht nach vorn | Jack Slade

E-Book (EPUB)
2019 Bastei Entertainment
Auflage: 1. Auflage
64 Seiten; ab 16 Jahre
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7325-9015-5

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Flucht nach vorn

Die Minenarbeiter von Fort Yukon saßen im Blackbear's zu Gericht und riefen schon vor Ablauf einer Stunde Joseph Bonesteel in den Zeugenstand. Sie legten ihm die Heilige Schrift auf die Stuhllehne und ließen ihn einen Eid darauf sprechen. '... so wahr mir Gott helfe', endete Bonesteel und senkte den Kopf.
Die Männer am Tisch erkundigten sich bei Bonesteel, ob er den Mörder seiner Tochter im Blackbear's sehen könne. Der fahlgesichtige Gerber und Tuchmacher nickte und hob den Arm. Er wies in Lassiters Richtung.
Die wenigen Mädchen und ihre Mütter im Saal wandten die Köpfe zur Seite und schluchzten. Sie hatten vor dem Saloon ein Gebet für die tote Emily Bonesteel gesprochen.



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Zwanzig Männer und Frauen hatten sich vor dem Blackbear's versammelt, um jenen Mann zu sehen, dem man den grausamen Mord an der sechzehnjährigen Emily Bonesteel anlastete. Sie waren mit Äxten und Steinhacken gekommen, von denen sie wussten, dass Ratsvorsitzender John Senecal sie ihnen verbieten würde.

»Man müsste diesem dreckigen Hund die Kehle abschnüren«, brummte ein Goldsucher mit leuchtend rotem Bart. Er vertrieb die Katze der Dawsons, die ihm um die Beine strich. »Hätte er vor meinem Richtertisch gestanden, wäre das Urteil längst gesprochen. Er hätte 'nen verdammten Strick um den Hals und würde vom Ahornbaum drüben am Brunnen baumeln.«

Dem Angeklagten von Fort Yukon, der auf den eigentümlichen Namen Lassiter hörte, war es gewiss zum Vorteil, dass die Haltung des Rotbärtigen keine allgemeine Überzeugung war. Die meisten Bewohner des Handelspostens vertraten die Meinung, dass es Gerechtigkeit in ihrer Mitte nur geben konnte, solange sie ohne Ansehen der Person und kühlen Kopfes Gericht hielten.

»Senecal!«, rief eine Frau hinter dem Goldsucher und drängte sich nach vorn. »Er hält das Urteil in der Hand! Er hält das Urteil in der Hand!«

Die Wartenden wichen vor Captain John Senecal zurück, der seit fünf Jahren die Geschicke von Fort Yukon lenkte und für eine Handelsroute ins Kanadische stritt. Er war ein stattlicher Mann von fünfzig Jahren mit grauem Bart und stechend blauen Augen, die tief in den Höhlen saßen. »Sie sind alle aus den Häusern gekommen?«

»Für die Gerechtigkeit!«, rief ein anderer Goldschürfer und hob die Felshacke in die Luft. »Er soll die Strafe bekommen, die verdient.«

»Tod dem Mörder!«, knurrte der rotbärtige Goldsucher und verzog den Mund. »Soll er das Gleiche kriegen, was er dem Mädchen angetan hat! Soll er die ganze Nacht in seinem Blut liegen!«

Die übrige Menge schwieg und sah erwartungsvoll zu Senecal hinauf, der nach einer Weile das Verdikt zückte und mit zwei Fingern auseinanderfaltete. Er las die wenigen Zeilen darauf und trug sie vor. »Der ehrenwerte Rat der Minenarbeiter ist zu dem Urteil gelangt, dass die Schuld des betreffenden Angeklagten Lassiter als gegeben erachtet werden kann. Er hat am Morgen des 24. Oktober dieses Jahres das Mädchen Emily Bonesteel mit einer Axt erschlagen.«

Die Zornigeren unter den Männern rissen die mitgebrachten Äxte in die Höhe und schwangen sie drohend. Sie schrien wild durcheinander, dass Gottes Vergebung solche Seelen nicht reinwasche und das arme Mädchen unschuldig wie ein Engel gestorben sei.

Senecal bat um Ruhe.

»Gleichwohl ist der Rat überzeugt«, zitierte er das Verdikt weiter, »dass keine irdische Macht beweisen könne, ob der Angeklagte vor dem Mädchen gestanden und den tödlichen Hieb ausgeführt habe. Das Urteil müsse weise und salomonisch sein.«

»Keine Schlinge für den Dreckskerl?«, wiegelte der Rothaarige die Menge auf. »Keine Schlinge, hört ihr? Er soll davonkommen! Er soll davonkommen damit!«

»Möge der Herrgott uns davor bewahren!«, redete Senecal gegen den entstandenen Tumult an. »Die Minenarbeiter von Fort Yukon verurteilen den Angeklagten zur Verbannung in die Wildnis. Er erhält ein Zelt, eine Schaufel und eine Tagesration Proviant.«

Die Versammelten tobten vor Wut und Unverständnis.

Sie bezichtigten Senecal der übertriebenen Milde und des Hohns gegenüber der Toten, die in den Armen ihres Vaters gelegen habe, als sie den letzten Gang zum Fort angetreten hätte. Als zwei Männer Senecal zwischen sich einzwängten, hob der Fortkommandant den Arm und befahl die anderen Ratsmitglieder heraus.

Sie erschienen im Beisein von Lassiter.

Der Amerikaner war an Armen und Beinen gefesselt und trottete bis zur ersten Treppenstufe. Einer der Männer spuckte nach ihm und wirbelte eine Schaufel durch die Luft. Der Verurteilte indes zuckte nicht mit der Wimper.

»Runter mit euch!«, befahl Senecal und trieb die Menge von den beiden Treppenstufen