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Der Notarzt 352

Zu müde, um zu kämpfen | Karin Graf

E-Book (EPUB)
2019 Bastei Entertainment
Auflage: 1. Auflage
64 Seiten; ab 16 Jahre
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-7325-8457-4

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Zu müde, um zu kämpfen
Während der OP gibt ein Arzt viel zu schnell auf
Karin Graf

Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau ist das Leben für den jungen Mediziner Timo ohne jeden Sinn. Mit ihr hatte er doch noch so viel vor: eine Familie gründen, das Leben auskosten. Was soll er jetzt noch auf dieser Welt?
Einzig die Arbeit in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik hält den Arzt davon ab, vollkommen in seinem Leid zu versinken. Hier wird er gebraucht, hier kann er anderen Menschen helfen.
Zuerst sieht es ganz danach aus, als wäre die Verantwortung in seinem Job wirklich Timos Rettung. Während er sich um seine Patienten kümmert, kann er seinen eigenen Schmerz vorübergehend verdrängen. Doch dann kommt es zu einem furchtbaren Zwischenfall.
Im OP liegt ein zwölfjähriges Mädchen, das nach einem tragischen Sturz aus einem fahrenden Zug schwerste Kopfverletzungen erlitten hat. Der Schädel ist mehrfach gebrochen, und auch ansonsten scheint an dem Kind kaum etwas heil geblieben zu sein. Timo ist wild entschlossen, die Kleine zu retten. Doch als er gerade mit der Operation beginnen will und in das Gesicht des bewusstlosen Mädchens blickt, ist er plötzlich wie erstarrt. Sein ganzer eigener Kummer überrollt ihn gnadenlos. Eine lähmende Müdigkeit überfällt ihn, er fühlt keinerlei Energie mehr in sich. Diesen Kampf um das Leben der jungen Patientin kann er einfach nicht führen. Er hat keine Kraft mehr dafür ...



Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Zu müde, um zu kämpfen

Während der OP gibt ein Arzt viel zu schnell auf

Karin Graf

Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau ist das Leben für den jungen Mediziner Timo ohne jeden Sinn. Mit ihr hatte er doch noch so viel vor: eine Familie gründen, das Leben auskosten. Was soll er jetzt noch auf dieser Welt?

Einzig die Arbeit in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik hält den Arzt davon ab, vollkommen in seinem Leid zu versinken. Hier wird er gebraucht, hier kann er anderen Menschen helfen.

Zuerst sieht es ganz danach aus, als wäre die Verantwortung in seinem Job wirklich Timos Rettung. Während er sich um seine Patienten kümmert, kann er seinen eigenen Schmerz vorübergehend verdrängen. Doch dann kommt es zu einem furchtbaren Zwischenfall.

Im OP liegt ein zwölfjähriges Mädchen, das nach einem tragischen Sturz aus einem fahrenden Zug schwerste Kopfverletzungen erlitten hat. Der Schädel ist mehrfach gebrochen, und auch ansonsten scheint an dem Kind kaum etwas heil geblieben zu sein. Timo ist wild entschlossen, die Kleine zu retten. Doch als er gerade mit der Operation beginnen will und in das Gesicht des bewusstlosen Mädchens blickt, ist er plötzlich wie erstarrt. Sein ganzer eigener Kummer überrollt ihn gnadenlos. Eine lähmende Müdigkeit überfällt ihn, er fühlt keinerlei Energie mehr in sich. Diesen Kampf um das Leben der jungen Patientin kann er einfach nicht führen. Er hat keine Kraft mehr dafür ...

Der Wind wirbelte ein einzelnes weißes Blütenblatt hoch auf. Es tanzte eine Weile wie ein unentschlossener Schmetterling im ständig richtungswechselnden Luftstrom, setzte sich kurz auf dem schwarzen Hut eines alten Mannes zur Ruhe, wirbelte wieder auf, berührte Timo Lorenz an der Schulter, überschlug sich, von einem schweren Regentropfen getroffen, rappelte sich wieder hoch und blieb schließlich auf einem schwarzen Stein kleben.

Lilly-Marlen. Wie passend. Es war das Blütenblatt einer Lilie. 2006 bis 2017.

Elf Jahre. Ein Foto war in den Stein eingelassen. Mit Plexiglas vor der Witterung geschützt. Ein Engel mit blonden Locken und großen blauen Augen, die freudig blitzend in die Zukunft blickten. Nur dass Lilly-Marlen keine Zukunft mehr hatte.

Wie und warum, das konnte Timo nicht wissen. Was er jedoch wusste und jetzt deutlich vor seinem inneren Auge sah, war, dass diese blauen Augen nicht mehr existierten. Von den blonden Locken mochten noch ein paar Strähnen übrig sein. Doch die rahmten keine rosigen Wangen und kein strahlendes Lächeln mehr ein. Sie zierten leere Augenhöhlen, lippenlose Kiefer und gebleckte Zähne.

Alles, was an Lilly-Marlen jemals lieblich und schön gewesen war, hatten längst die Würmer gefressen. Und eben jetzt wurde ein neuer Festschmaus für die Würmer in die Erde gesenkt.

Florentina. 1991 bis 2019. Achtundzwanzig Jahre. Fast dreimal so viel Leben wie Lilly-Marlen zur Verfügung gehabt hatte, aber immer noch viel zu wenig.

"Was?" Timo zuckte zusammen, als jemand ihn an der Schulter berührte.

Julia, seine ältere Schwester, beugte sich nahe zu seinem Ohr.

"Ich habe dich gefragt, ob du noch eine Weile durchhältst, Timo. Du wirkst so ... weggetreten."

"Klar! Mir geht es super! Ich habe nur ... Da war ein Blatt ... Lilly-Marlen, elf Jahre! Wer denkt sich so was aus? Wer lässt so wundervolle Geschöpfe unter der Erde vermodern? Gott? Dann hat er einen an der Klatsche."

Erst, als die anderen Trauergäste ihn unverhohlen anstarrten, merkte er, dass er seine Antwort beinahe geschrien hatte. Na und? Ihm war schon lange nichts mehr peinlich.

Wenn man vom Leben auf so grausame Weise hintergangen, betrogen und bestohlen worden war, dann scherte man sich nicht mehr um solche Lappalien. Höflichkeit und gutes Benehmen und zwischenmenschliche Gepflogenheiten und politische Korrektheit, das alles galt für ihn nicht mehr. Die Welt war nicht fair zu ihm ge