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Die Shakespeare-MordeOverlay E-Book Reader

Die Shakespeare-Morde

Jennifer Lee Carrell

E-Book (EPUB)
2018 Refinery
464 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-96048-130-0

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Ein rätselhaftes Geschenk, eine tote Literaturprofessorin und ein Mörder, der seine Opfer auf ebenso grausame wie symbolhafte Weise ums Leben bringt: Als die junge Theaterregisseurin Kate Stanley auf Hinweise zu einem verschollenen Shakespeare-Drama stößt, beginnt auch für sie ein atemloser Wettlauf mit dem Tod.



Jennifer Lee Carrell ist promovierte Anglistin und Amerikanistin. Sie hat Literatur und Geschichte an der Harvard University unterrichtet und für die Hyperion Theatre Company bei zahlreichen Shakespeare-Aufführungen Regie geführt. Als Journalistin schreibt sie u.a. für das Smithsonian Magazine. Die Shakespeare-Morde ist ihr erster Roman.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

29. Juni 2004

Wir alle werden von Geistern verfolgt. Nicht von Poltergeistern oder weißen Frauen, kopflosen Reitern oder bösen Feen - von echten Geistern, die über die Schlachtfelder unserer Erinnerung wandeln und ewig flüstern: Vergiss mich nicht. Das war die Erkenntnis, die mir kam, als ich eines Abends bei Sonnenuntergang allein auf einem Hügel über London saß. Zu meinen Füßen erstreckte sich Hampstead Heath bis hinunter an die silbergrauen Gestade der großen Stadt. Auf meinem Schoß lag eine kleine, in Goldpapier gewickelte Schachtel. Die Schleife war noch unversehrt.

Behutsam hielt ich die Schachtel hoch.

»Was ist das?«, hatte ich am Nachmittag gefragt, und die Schärfe meiner Stimme hatte durch die Schatten der unteren Galerie des Globe Theatre geschnitten, wo ich die Regie bei 'Hamlet' führte. »Eine Wiedergutmachung? Oder Schweigegeld?«

Vor mir saß Rosalind Howard, Harvards exzentrische Shakespeare-Professorin - eine Mischung aus Amazone, erdiger Mutter und Zigeunerbaronin. Eindringlich beugte sie sich zu mir vor. »Ein Abenteuer. Und, wie es aussieht, ein Geheimnis.«

Ich schob den Finger unter die Schleife, doch Ros griff nach meiner Hand und hielt mich auf. Ihre grünen Augen suchten meinen Blick. Ros war um die fünfzig, hatte kurzes dunkles Haar und trug große, funkelnde Ohrringe, die von ihren Ohrläppchen baumelten. Sie trug einen breitkrempigen weißen Hut mit Pfingstrosen aus üppiger dunkelroter Seide - ein auffälliges Ding, das an das Hollywood der alten Zeit erinnerte. »Wenn du die Schachtel öffnest, musst du dem Weg folgen, den sie dir weist.«

Einst war Ros meine Mentorin gewesen, mein leuchtendes Vorbild und beinahe so etwas wie eine zweite Mutter. Und während sie die Matriarchin spielte, war ich stets die pflichtbewusste Schülerin - bis ich mich vor drei Jahren entschloss, meine akademische Laufbahn aufzugeben und ans Theater zu gehen. Es hatte schon vorher zwischen uns zu kriseln begonnen, doch mein Weggang aus Harvard führte zum endgültigen Bruch. Ros machte keinen Hehl daraus, dass sie meine Flucht aus dem Elfenbeinturm als Verrat betrachtete. Für mich war es eine Flucht nach vorn, auch wenn Ros mich hinter meinem Rücken als Deserteurin bezeichnete, wie ich später erfuhr. Doch das blieben Gerüchte. Seitdem hatte ich kein Wort des Bedauerns oder der Aussöhnung von ihr gehört, bis sie plötzlich an diesem Nachmittag ohne Vorwarnung im Globe auftauchte und mich um ein Gespräch bat. Widerwillig unterbrach ich die Proben für eine Viertelstunde. Eine Viertelstunde mehr, dachte ich, als sie verdiente.

»Du liest zu viele Märchen«, sagte ich laut und schob die Schachtel zurück zur ihr. »Falls der Weg, den sie weist, nicht direkt zurück zur Probe führt, kann ich sie nicht annehmen.«

»Die kecke Kate«, sagte Ros mit einem wehmütigen Lächeln. »Du kannst nicht oder du willst nicht?«

Ich schwieg.

Ros seufzte. »Ob du sie aufmachst oder nicht, ich will, dass du sie hast.«

»Nein.«

Ros neigte den Kopf und musterte mich. »Ich habe etwas entdeckt, Liebes. Ich habe etwas Großes entdeckt.«

»Genau wie ich.«

Sie ließ den Blick durch das Theater schweifen - über die rohen Fachwerkgalerien, drei Stockwerke hoch, und die Bühne, die am anderen Ende in den Innenhof ragte, prunkvoll herausgeputzt mit künstlichem Marmor und falschem Gold. »Ein echtes Husarenstück, am Globe den 'Hamlet' zu inszenieren. Umso mehr für jemanden wie dich - so jung, aus den Staaten und vor allem eine Frau. Wo die britische Theaterwelt der snobistischste Haufen auf dem Erdball ist. Glaub mir, es gibt niemanden, dem ich es mehr gönne, die Insel-Elite aufzumischen, als dir.« Ihr Blick glitt zu dem Geschenk, das zwischen uns auf dem Tisch lag, dann sah sie mir in die Augen. »Aber das hier ist größer.«

Ich starrte sie ungläubig an. Verlangte sie im Ernst von mir, dass ich mir den Staub des Theaters von den