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Die Stunde des Wolfs

Kriminalroman | Simo Hiltunen

E-Book (EPUB)
2017 Aufbau Digital; Werner Söderström Ltd.
Auflage: 1. Auflage
400 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-8412-1385-3

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Du willst das Böse sehen - um deinem wahren Ich zu begegnen... An Heiligabend tötet ein Mann seine Familie, ausgerechnet ein Polizist. Lauri Kivi, ein Reporter, der sich auf Familienverbrechen spezialisiert hat, ist entsetzt. Je mehr er recherchiert, desto genauer erkennt er ein Muster. Jemand scheint hinter diesen Morden zu stecken und sie den Familienvätern in die Schuhe zu schieben. Kivi versucht, den Täter zu provozieren - er beschreibt ihn als impotent und aggressiv, um selbst ins Fadenkreuz zu geraten. Doch der Mörder nimmt jemand anderen ins Visier: seine Exfreundin Paula und Aava, Kivis heimliche Tochter, nun eine berühmte junge Popsängerin. Ein spannender Kriminalroman aus Finnland.



Simo Hiltunen, Jahrgang 1977, stammt aus dem Norden Finnlands. Er arbeitet als Journalist in Helsinki. Die Übersetzungsrechte an »Die Stunde des Wolfs«, seinem ersten Roman, wurden in zahlreiche Länder verkauft.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Der Bauch des Mädchens war groß. Auch der Nabel ragte heraus. Die werdende Mutter schleppte sich durch den dichten, feuchten Wald. Das Leben war eben so, wie es war. Versaut jedenfalls. Ihre Mutter hatte sie als Minderjährige zur Ehe gezwungen, erzählte aber jetzt aufgeregt in der ganzen Stadt, die Tochter habe es ja so eilig gehabt zu heiraten. Sie konnte nicht mal erst ihr Studium machen. Zu Hause redete die Mutter besänftigend auf sie ein, der werdende Vater sei doch ein ganz tüchtiger Mann.

Ein völlig hoffnungsloser Fall war er auch nicht, halt nur ein wenig verschlossen. Aber er wollte eben kein Kind, weil er selbst noch eines war.

Jetzt floh das Mädchen vor einem Mann, der Whisky und Kognak im Akkord gekippt hatte. Betrunken war er ihr zuwider. Seine Augen glänzten dann so. Er hatte erzählt, bei seinem Vater sei das kurz vor einer Tracht Prügel auch immer so gewesen. Ihr Mann war zwar nicht gewalttätig, aber wenn er getrunken hatte, sah man ihm an, dass er es sein wollte. Das machte ihr Angst.

Das Mädchen glaubte, dass es für sie keinen Ausweg gab. Weder aus dem Wald noch aus ihrer Ehe, aus dem Leben überhaupt. Das Dickicht bestimmte ihren Weg. Durch die Blätter konnte man kaum hindurchsehen, aber in der Ferne erhob sich über den Bäumen der Schachtturm des Ortes. Das war ein Leuchtturm, nach dem sie sich nicht orientieren wollte. Sie sehnte sich weg aus Nordkarelien, aber es wimmelte nicht gerade von Alternativen. Das Kind würde sie außer Gefecht setzen und hier in der Stadt des Kupferbergbaus festnageln, und deren endlose Grubenstollen würden all ihre Träume verschlingen: eine Karriere als Model, Geld und Ruhm.

Sie bemühte sich, mit großen Schritten von einem Mooshöcker zum nächsten zu gelangen, um auf dem Trockenen zu bleiben. Das misslang. Ihre Schuhe waren nass, und ihr Gemüt war tränenfeucht und schwer. Es war alles zu spät. Sie hätte rechtzeitig von ihrer Schwangerschaft erzählen müssen. Dann wäre Zeit gewesen, die ganze Geschichte und das in ihrem Schoß pulsierende Leben gleich am Anfang zu beenden. Die Fortpflanzung aufzugeben und selbst zu leben. Wenn sie wenigstens ihrem Freund rechtzeitig von der Sache erzählt hätte, dann wäre sie schon erledigt.

Das Mädchen fuhr zusammen, als sie hinter sich Lärm hörte. Wenn sie Glück hatte, wäre das die Vatanen Liisa oder der Bauer Tolppanen, die erste Moosbeeren pflückten. Sie würden sich frohgelaunt nach dem Baby erkundigen, und ihnen könnte sie nicht sagen, dass es jeden Atemzug erschwerte und die Zukunft zu einer großen Unbekannten machte. Sie wollte keinen übermäßig frohgelaunten Mitmenschen treffen und lief schnell in den Schatten der Bäume. Eine Weile irrte sie durch den Wald und drang dann zerkratzt auf eine Lichtung vor, auf der ein Ahorn stand. Sie erkannte ihn, es war der Baum, unter dem ihr damals künftiger Mann seinen Willen durchgesetzt und ihr eingeredet hatte, dass man beim ersten Mal nicht schwanger werden könne.

Sie schleppte sich bis zu dem Ahorn, ließ sich mit dem Rücken an den Baumstamm fallen und sank auf eine vergessene Apfelkiste. Sie versuchte, es zurückzuhalten, aber das Wasser kam auf einmal geschossen, sowohl aus den Augen als auch in die Hosen. Ihr war nicht sofort klar, was da passierte. Dann musste sie weiter. Sie lief schwankend mit langsamen Schritten los. Im Bauch rumpelte es, und ihr war übel. Sie musste stehen bleiben und rief mit schwacher Stimme um Hilfe. Vielleicht hörte es derjenige, der hinter ihr solchen Krach machte. Dann hätte auch die Alte von Vatanen wieder Gesprächsstoff für die nächsten Jahre: Stellt euch vor, die Tochter vom Pennanen lag da im Wald unter den Kiefern, alles war voll Blut und das Baby halb draußen. Und ohnmächtig war sie.

Zwischen den Bäumen tauchte nicht Vatanens Alte auf oder eine Hilfe, aber immerhin der Ehemann des Mädchens.

»Ich wusste, dass du hierhergehen würdest«, sagte der Mann.

Das Mädchen selbst hatte es nicht gewusst



Peter Uhlmann, geboren 1948, studierte in Berlin Finno-Ugristik, arbeitete an der Universität Greifswald als Fennist und ist seit 1982 freiberuflicher Übersetzer aus dem Finnischen. Neben Taavi Soininvaara hat er Werke von Maiju Lassila, Veijo Meri, Paavo Rintala, Esa Sariola und Antti Tuuri übersetzt.