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Unter Wölfen

Kriminalroman - Nürnberg 1942: Isaak Rubinstein ermittelt | Alex Beer

E-Book (EPUB)
2019 Limes Verlag
368 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-24616-7

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€ 9,99

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Um seine Familie zu retten, muss sich der Jude Isaak Rubinstein in die Gestapo einschleusen und mitten unter Wölfen zum Spion werden ...
Nürnberg 1942: Isaak Rubinstein, der ständig in Angst um seine Familie lebt, bittet eine Widerstandskämpferin um Hilfe. Doch ihre Gegenforderung ist hart: Isaak soll die Gestapo infiltrieren und sich dazu als Sonderermittler Adolf Weissmann ausgeben - jenen Mann, der vom Führerhauptquartier beauftragt wurde, den Mord an einer berühmten Schauspielerin aufzuklären. Was niemand weiß: Der Kriminalist hat den Anschlag, den die Widerstandsgruppe auf ihn verübt hat, überlebt. Mitten unter Wölfen zieht sich das Netz immer weiter zu und die Gefahr, enttarnt zu werden, ist allgegenwärtig ...

Alex Beer, geboren in Bregenz, hat Archäologie studiert und lebt in Wien. Ihre spannende Krimi-Reihe um den Ermittler August Emmerich erhielt zahlreiche Shortlist-Nominierungen (u.a. für den Friedrich Glauser Preis, Viktor Crime Award, Crime Cologne Award) und wurde mit dem Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2017 und 2019 sowie dem Krimi-Publikumspreis des Deutschen Buchhandels MIMI 2020 prämiert. Auch der Österreichische Krimipreis wurde der Autorin 2019 verliehen. Neben dem Wiener Kriminalinspektor hat Alex Beer mit Felix Blom eine weitere faszinierende Figur erschaffen, die im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhundert ermittelt und für den sie mit dem silbernen Homer 2023 ausgezeichnet wurde.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

2

Die Küchenuhr tickte. Regelmäßig und unaufhaltsam erinnerte sie Isaak Rubinstein daran, dass die Welt sich weiterdrehte. Gleichgültig und unbarmherzig schritt die Zeit voran - sie ließ sich nicht von menschlichen Schicksalen beirren, ganz gleich, wie tragisch diese auch sein mochten.

Den ganzen Tag lang hatte er in Zwangsarbeit Munition hergestellt. Munition für einen Krieg, den die Nazis nicht nur gegen die Alliierten, sondern auch gegen ihn und seinesgleichen führten. Gegen angebliche Minderwertige, Volksverderber und Reichsfeinde - gegen Juden. Damit nicht genug, machte in der Fabrik seit Neuestem ein Gerücht die Runde: Die Nazis wollten sie ganz loswerden, sie alle aus dem Reich verjagen.

»Nicht nur aus dem Reich«, hatte der alte Herr Baruch gemeint. »Vom Antlitz der Erde wollen sie uns tilgen.«

»Ach was«, hatte Isaak entgegnet. »Sie brauchen uns doch noch. Wenn wir fort sind, wer soll denn dann die Munition fertigen?«

Er war sich sicher gewesen, dass Baruch und die anderen falschlagen, aber dann war er nach Hause gekommen. Seitdem waren Stunden vergangen, doch noch immer starrte er auf die Benachrichtigung in seinen Händen. Auch Rebekka, seine Eltern und die anderen Juden, mit denen sie sich die Wohnung teilten, hatten eine erhalten.

An Herrn

Isaak Israel Rubinstein

Nürnberg

Guntherstraße 61 Nürnberg, 16. März 1942

Evakuierungsbescheid

Sie haben sich ab Samstag, dem 21. März 1942, 13 Uhr in Ihrer Wohnung aufzuhalten und dürfen diese nicht mehr verlassen.

Sie haben einen Koffer (keine sperrigen Kisten und dergleichen) mit Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken wie Anzüge, Mäntel, Wäsche, Bettzeug mit Decken (ohne Federbett) zu packen und bereitzuhalten ...

Es folgte eine lange Liste mit Vorschriften und Richtlinien. Welches Gepäck zugelassen war, welche Gegenstände nicht mitgeführt werden durften, wie mit Wohnungsschlüsseln und gültigen Lebensmittelkarten zu verfahren war ... All das war penibel aufgelistet. Was nicht angegeben wurde, war das Ziel der Reise.

Wohin würden sie gebracht werden? Was würde dort mit ihnen geschehen? Er wusste nur, dass es nach Osten ging. In ein Ghetto oder Arbeitslager. In eine ungewisse Zukunft, von der nur eines sicher war: Es würde keine gute sein.

So leise wie möglich erhob er sich, trat ans Fenster und starrte voller Zorn nach draußen, wo die Nacht bereits hereingebrochen war.

Während die selbst ernannten Herrenmenschen gut lebten, wurden Juden wie Aussätzige behandelt. Erst waren sie enteignet worden. Die Nazis hatten die Rubinsteins aus ihrem Zuhause gejagt und Isaak sein Antiquariat genommen, in dem er so gern gearbeitet hatte. Als wären sie schmutziges Ungeziefer, hatte man sie in Judenhäuser gepfercht, wo sie mit wildfremden Leuten auf engstem Raum zusammenleben mussten. Dann waren die antisemitischen Bestimmungen gekommen: Die Lebensmittelrationen wurden verknappt, sie durften nicht ins Theater, nichts ins Kino, durften kein Radio hören und auch nicht telefonieren ...

Isaak presste die Zähne aufeinander und schluckte den Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hatte, hinunter.

Sein Vater war alt, seine Mutter krank, und Rebekka, seine jüngere Schwester, war verwitwet und hatte zwei kleine Kinder, um die sie sich kümmern musste. Er war somit das stärkste Mitglied der Familie. Er war es, dem es oblag, sie zu beschützen. Er war derjenige, der dafür zu sorgen hatte, dass ihnen nichts Schlimmes widerfuhr. Doch wie? Wie sollte er das bewerkstelligen?

Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde Isaaks Ruhelosigkeit größer. Als sie schließlich ein unerträgliches Maß erreicht hatte, schlich er auf Zehenspitzen in den Nebenraum. Dort zündete er ein Streichholz an und ließ dessen schwachen Schein über die dünne Matratze gleiten, auf der Rebekka gemeinsam mit dem sechsjährigen Elias und der z