Suche

Die Letzten ihrer ArtOverlay E-Book Reader

Die Letzten ihrer Art

Roman | Maja Lunde

E-Book (EPUB)
2019 Btb Verlag; H. Aschehoug & Co.
656 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-22509-4

Rezension verfassen

€ 10,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Taschenbuch erhältlich
  • Als Hardcover erhältlich
Drei Familien, drei Jahrhunderte und der alles entscheidende Kampf gegen das Aussterben der Arten.
Vom St. Petersburg der Zarenzeit über das Deutschland des Zweiten Weltkriegs bis in ein Norwegen der nahen Zukunft erzählt Maja Lunde von drei Familien, dem Schicksal einer seltenen Pferderasse und vom Kampf gegen das Aussterben der Arten. Ein bewegender Roman über Freiheit und Verantwortung, die große Gemeinschaft der Lebewesen und die alles entscheidende Frage: Reicht ein Menschenleben, um die Welt für alle zu verändern?

Maja Lunde wurde 1975 in Oslo geboren, wo sie auch heute noch mit ihrer Familie lebt. Sie ist eine bekannte Drehbuch- sowie Kinder- und Jugendbuchautorin. »Die Geschichte der Bienen« ist ihr erster Roman für Erwachsene, der zunächst national und schließlich auch international für Furore sorgte. Er stand monatelang auf der norwegischen Bestsellerliste und wurde mit dem Norwegischen Buchhändlerpreis ausgezeichnet.

Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

EVA
Heiane, Akershus, Norwegen 2064

Wie im Rausch trieb es den Hengst zur Stute. Der Instinkt bestimmte ihn durch und durch, machte ihn unberechenbar, wild. Als Mensch würde ich ein solches körperliches Verlangen nie nachvollziehen können. Oder doch, es gab eine Zeit in meinem Leben, da hatte ich mich unter die Oberfläche ziehen lassen, die Vernunft ignoriert. Aber immer nur kurz, für wenige Sekunden. Das ist lange her, seither konnte ich mir diesen Luxus nie wieder leisten. Das einzige Verlangen, das meine Handlungen jetzt noch beherrscht, ist der Hunger. Der Hunger führt manchmal zu irrationalem Verhalten, erinnert an Wahnsinn, treibt einen Menschen zu Unvorstellbarem.

Mit Argumenten wurde man den Gelüsten der Tiere jedenfalls nicht Herr, und mir blieb nichts anderes übrig, als meine Stute Nike zu beschützen.

Rimfakse ließ nicht von ihr ab, obwohl die Zäune eigentlich ausreichen müssten, um ihn von Nike und ihrem Fohlen Puma fernzuhalten. Ich konnte noch so sehr schreien und gestikulieren, Nikes Brunst lockte ihn auf die Hafenweide. Im vergangenen Herbst hatte Nike ihren Gefährten verloren, den Hengst Hummel. Er war alt und ausgemergelt gewesen, ich hatte ihn aufgeben müssen. Und jetzt war Nike allein. Ich wusste, dass sie keine Ruhe finden würde, ehe sie trächtig war. Diesen Willen konnte ich ihr aber nicht lassen, denn sie war ein Takhi, eines der letzten Wildpferde auf dieser Welt, und Rimfakse nur ein ganz gewöhnliches Hauspferd, das von Richard ausgesetzt worden war, ehe er vor einem Jahr den Nachbarhof verlassen hatte. Nike durfte sich nicht mit einem wie ihm paaren, denn bei solchen Kreuzungen überwogen die Eigenschaften des Hauspferdes, ihre Erblinie würde nach nur zwei Generationen aussterben, und dann wären alle Mühen, sie herzubringen, all die Arbeit, die investiert worden war, damit ihre Art weiterhin auf dieser Erde lebte, vergebens gewesen. Vergebens und wertlos, sie würde ihren Wert verlieren, wenn ich ihm seinen Willen ließe.

»Verschwinde, Rimfakse!«

Der Hengst rieb sich am Zaun, streckte den Kopf nach Nike, versuchte, sie zu erreichen, und die Stute ermunterte ihn, hob ihren Schweif und drehte ihm das Hinterteil zu.

Ich lief näher heran, fuchtelte mit den Armen.

»Hau jetzt ab! Ksch!«

Rimfakse wieherte mich an, drehte sich hin und her und trat auf der Stelle, ehe er mir beleidigt den Rücken zukehrte und davontrabte.

»Vergiss es einfach!«, schrie ich ihm hinterher. »Such dir eine Stute von deinem eigenen Schlag!«

Bald musste ich sie zum Glück nicht mehr auf diese Weise bewachen. Es war schon September, und vor Nike lagen sechs Monate ohne Brunst, sechs Monate Ruhe für sie und mich. Im Winter hatte ich die Kontrolle über das Verhalten der Tiere und über meine eigene Situation. Solange die Speisekammer ausreichend gefüllt war, solange die Winterstürme nicht zu heftig wüteten und solange der Strom nicht ausfiel, war das Leben im Winter übersichtlicher.

Ich ging bis an den Zaun heran, lehnte mich über eine Latte und streckte den Wildpferden die Hände entgegen.

»Guten Morgen, Nike. Hallo, Puma.«

Sie wandten mir die Köpfe zu, sie kannten meine Stimme. Puma war als Erster bei mir. Seine dünnen Beine staksten eifrig über den Boden, er war immer noch neu auf der Welt, bewegte sich ein wenig unsicher und tastend voran. Er schob sein Maul unter dem Zaun hindurch und schnaubte leise.

»Ob ich wohl was für euch habe?«, fragte ich lächelnd. »Glaubst du, ich habe was für euch?«

Ich steckte die Hand in die Tasche.

»Aber nur heute.«

Inzwischen war auch Nike gekommen. Ihre Nüstern weiteten sich, als sie die Karotten entdeckte.

»Bitte schön, mein Kleiner.« Ich gab Puma die erste Karotte. Sie war klein, denn er war noch zu jung und konnte neben der Muttermilch nicht viel andere Nahrung verdauen.

Nike stampfte mit dem Huf.

»Jaja, du bekommst auch w