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Kämpfen

Roman | Karl Ove Knausgård

E-Book (EPUB)
2017 Luchterhand Literaturverlag; Forlaget Oktober As
1280 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-10209-8

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Die Rücksichtslosigkeit anderen - aber vor allem sich selbst gegenüber. Die Radikalität des Ansatzes. Die schwindelerregenden Wechsel zwischen kleinsten Details und großen Gedanken. Die essayistischen Passagen zu Themen der Kunst- und Literaturgeschichte. Und diesmal auch: die berührende Schilderung einer Krankheit und Ehekrise.

In 'Kämpfen', dem fulminanten Abschluss des sechsbändigen autobiographischen Projektes von Karl Ove Knausgård, findet sich alles, was schon die ersten fünf Bände zu einem Ereignis machte, und geht noch einmal weit darüber hinaus. Geschrieben nach dem sensationellen Erfolg der Vorgängerbände in Norwegen, dem darauf folgenden Skandal auf Grund der Preisgabe von vermeintlich Intimem, radikalisiert Knausgård seine schonungslose Methode noch einmal und treibt sie bis zu einer äußersten Schmerzgrenze. Ein künstlerischer Triumph, ein Vordringen zum Kern des Menschlichen zu Beginn des 21. Jahrhunderts.



Karl Ove Knausgård wurde 1968 geboren und gilt als wichtigster norwegischer Autor der Gegenwart. Die Romane seines sechsbändigen, autobiographischen Projektes wurden weltweit zur Sensation. Sie sind in 35 Sprachen übersetzt und vielfach preisgekrönt. 2015 erhielt Karl Ove Knausgård den WELT-Literaturpreis, 2017 den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur, 2022 nahm er in Kopenhagen den Hans-Christan-Andersen-Literaturpreis entgegen. Er lebt in London.



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Ich legte mich aufs Bett und blieb reglos liegen. Es war plötzlich die einzige Möglichkeit. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wieso oder wie es sich anfühlte, denn seit damals sind anderthalb Jahre vergangen, und ich habe diese explosionsartigen Angstgefühle nicht mehr. Ich kann sie verstehen, sehr gut sogar, aber ich kann diese Gefühle nicht wieder zum Leben erwecken. Wenn ich diese Mails heute lese, packt mich ein großes Unbehagen, denn sie bestätigen etwas, das ich immer gewusst, immer gefühlt habe, doch im Vergleich zu ihrer damaligen Kraft sind sie lediglich ein Schatten. Damals, in diesen Augusttagen 2009, haben sie mich vollkommen paralysiert. Hätte ich die geringste Ahnung gehabt, dass mich eine derartige Wut erwartet, hätte ich mich darauf vorbereitet und so den Effekt abgefedert, oder - das war das Wahrscheinlichste - den Roman schlichtweg nicht geschrieben. Doch während der Arbeit daran hatte ich mir niemals eine derartige Reaktion vorgestellt, nicht ein einziges Mal.

Im Flur klingelte das Telefon.

Es musste Gunnar sein.

Ich konnte jetzt nicht mit ihm reden. Es wäre so wie damals gewesen, wenn ich als kleiner Junge etwas falsch gemacht hatte und hörte, wie Vater unten die Tür öffnete. Jetzt kommt er. Jetzt kommt er.

Vielleicht war es aber auch Geir Gulliksen oder Geir Berdahl, denn auch sie hatten die Mail bekommen.

Ich stand auf und lief in den Flur. Als ich beim Telefon war, hatte es aufgehört zu klingeln. Ich hob den Hörer und rief die entgangenen Nummern auf.

»10« stand auf dem Display.

Was bedeutete, dass der Anrufer eine unterdrückte Nummer hatte. Geir Angell hatte eine unterdrückte Nummer, vermutlich war er es gewesen. Ich riss gern den Witz, dass nur die Polizei und er mit unterdrückten Nummern telefonierten. Aber es war nicht nur ein Witz, denn irgendwo tief in mir wartete ich noch immer auf einen Anruf der Polizei.

Ich nahm das Telefon mit auf den Balkon und rief Geir an.

»Ja, hallo, hier ist Gunnar«, meldete er sich. »Ist dort mein falscher und freundloser Neffe? Wie kannst du es wagen, hier anzurufen?«

»Hast du gerade angerufen?«, fragte ich ihn.

»Ja, sicher«, sagte er. »Du hast miese Laune, oder?«

»Mies ist nicht der richtige Ausdruck. Hast du die E-Mail gelesen?«

»Ja, klar. Zumindest hat dein Onkel einen erfrischenden Ton!«

»Tja.«

»Ich habe laut gelacht.«

»Glaub ich sofort.«

»Komm schon. Er ist wütend auf dich. Das ist nicht schwer zu verstehen. Aber das ist auch alles. Du hast wirklich nichts falsch gemacht.«

»Natürlich. Und er will vor Gericht gehen. Ich zweifele nicht eine Sekunde daran.«

»Aber das ist doch fantastisch! Du solltest hoffen und beten, dass er so etwas Dämliches tut! Du wirst steinreich werden! Alle werden deine Bücher kaufen, wenn es zu einem Prozess kommt! Das geht direkt in die Literaturgeschichte ein. Du wirst Millionär. Ein besseres Szenario ist kaum vorstellbar.«

»Für mich schon.«

»Ach, komm! Was hast du getan? Du hast ein Buch über dein Leben geschrieben, so wie du es siehst. Das ist ein Freiheitsprojekt. Freiheit ist etwas, das man sich nimmt. Wird einem die Freiheit erteilt, ist man ein Sklave. Du wolltest über dein Leben schreiben, so wie es ist. Das hat einen Preis. Den Preis siehst du jetzt. Du hast auf deinen Onkel keine Rücksicht genommen, also bist du rücksichtslos gewesen. Das sind die Unkosten. Ja, er ist wütend auf dich. Ja, das kann ich verstehen. Er hat das Recht, auf dich wütend zu sein - aus seiner Sicht. Aber mehr steckt nicht dahinter. Verstehst du? Du hast nichts Falsches über ihn geschrieben. Du hast über deinen Vater geschrieben. Das ist dein Recht, das ist dein verdammtes Erbe, das ist das, was er dir hinterlassen hat. Niemand kann dir das streitig machen. Sie können wütend werden, sie können toben, sie können dich und deine Familie schikanieren, aber dann ist auch Schluss. Du hast nichts Falsches