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Wenn ich jetzt nicht geheOverlay E-Book Reader

Wenn ich jetzt nicht gehe

Roman | María Dueñas

E-Book (EPUB)
2017 Insel Verlag
Auflage: 1. Auflage
589 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-458-75183-0

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Mauro Larrea erhält eine Nachricht, die seinen Ruin bedeutet. Einst in den Silberminen Mexikos reich geworden, kämpft er um eine neue Chance und trifft auf die Frau, die sein Schicksal entscheidet ... Wenn ich jetzt nicht gehe ist eine abenteuerliche Jagd nach dem Glück und ein packender und bewegender Roman über die Kraft des Neuanfangs.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist Mexiko-Stadt der Mittelpunkt der Neuen Welt und Mauro Larrea einer ihrer wohlhabendsten Bewohner. Jahre zuvor kam er mit nichts ins Land, als Witwer, als Vater zweier Kinder. Nach seinem kühnen Aufstieg lebt er in einem Barockpalast, besitzt Minen, Ländereien, Kutschen, Pferde, Logen überall. Doch jetzt soll plötzlich alles verloren sein, wegen einer einzigen Entscheidung! Hals über Kopf verlässt er die Stadt und versucht sein Lebensglück ein zweites Mal - und begegnet Soledad Montalvo, einer schönen, einer klugen, einer unberechenbaren Frau.

María Dueñas, geboren 1964, lehrte in Murcia Englische Literatur, bis ihr Debütroman 2009 alle Rekorde brach. Mittlerweile ist ihr Werk in 35 Sprachen übersetzt, mehrfach ausgezeichnet und in eine Fernsehserie verwandelt.



Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

Welche Gedanken und Gefühle bewegen einen erfolgverwöhnten Mann, wenn er eines Nachmittags im September seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet sieht?

Keine heftige Geste, kein ungehaltenes Wort. Nur ein flüchtiger, kaum wahrnehmbarer Schauder, der ihm über den Rücken lief, hinauf bis zu den Schläfen und hinunter bis zu den Zehennägeln. Nichts schien sich jedoch an seiner Haltung zu verändern, als er bestätigt fand, was er bereits geahnt hatte. Unerschütterlich, so wirkte er. Eine Hand auf das harte Nussbaumholz des Schreibtisches gestützt, den Blick fest auf die Überbringerinnen der Nachricht gerichtet, ihre vor Müdigkeit hohlwangigen Gesichter, ihre Trauerkleider.

»Trinken Sie Ihre Schokolade aus, meine Damen. Ich bedaure Ihre Unannehmlichkeiten und bin Ihnen dankbar, dass Sie so gütig gewesen sind, herzukommen und mich persönlich zu informieren.«

Wie auf Kommando gehorchten die Amerikanerinnen, sobald der Dolmetscher ihnen Wort für Wort übersetzt hatte. Dieser war ihnen von ihrer Botschaft zur Verfügung gestellt worden, eine Brücke, über die sich die beiden erschöpften, niedergeschlagenen Frauen verständlich machen und somit den Zweck ihrer Reise erfüllen konnten.

Lustlos hoben sie die Tassen zum Mund. Sicher aus reiner Höflichkeit. Um ihn nicht zu verärgern. Die Biskuits der Nonnen von San Bernardo rührten sie dagegen nicht an, und er bestand nicht darauf. Während die Frauen mit kaum verhohlenem Unbehagen die dicke Flüssigkeit schlürften, kroch eine Stille, die keine wirkliche Stille war, ins Zimmer wie ein Reptil, schob sich über den gefirnissten Dielenboden und die stoffbespannten Wände, glitt über die europäischen Importmöbel und schlängelte sich zwischen die Ölgemälde, Landschaften und Stillleben.

Der Dolmetscher, ein kaum zwanzigjähriger Milchbart, stand verwirrt herum, hielt die schwitzenden Hände in Leibhöhe gefaltet und fragte sich insgeheim, was zum Teufel tue ich hier. Indessen schwirrte die Luft von tausend Tönen. Aus dem Innenhof drangen die Geräusche der Dienstboten herauf, die die Bodenplatten mit Lorbeerwasser besprengten. Von der Straße, durch die schmiedeeisernen Gitter, kam das Hufklappern der Maultiere und Pferde, das klagende Flehen der Bettler um Almosen und das Geschrei des Verkäufers an der Ecke, der lautstark seine Waren anpries: süße Teigtaschen, Maisfladen mit Milchkonfitüre, Guavenpaste, Maisplätzchen.

Die Frauen tupften sich mit den frisch gebügelten holländischen Servietten die Lippen ab, es schlug halb sechs. Und dann wussten sie nicht, was sie noch tun sollten.

Der Hausherr löste die Spannung.

»Darf ich Sie bitten, meine Gäste zu sein, und Ihnen ein Nachtlager anbieten, ehe Sie Ihre Heimreise antreten.«

»Vielen Dank, Señor Larrea«, erwiderten sie fast wie aus einem Mund. »Aber wir haben bereits ein Zimmer in einem Gasthof reserviert, der uns von der Botschaft empfohlen wurde.«

»Santos!«

Obwohl der herrische Ton nicht ihnen galt, zuckten sie zusammen.

»Laureano soll die Damen zu ihrem Gepäck begleiten und sie ins Hotel Iturbide bringen, die Kosten gehen auf meine Rechnung. Und dann machst du dich auf die Suche nach Andrade, zerrst ihn von seiner Domino-Partie weg und sagst ihm, er soll umgehend herkommen.«

Der bronzehäutige Diener beantwortete die Anweisung seines Herrn mit einem schlichten »Zu Befehl, patrón«. Als hätte er nicht hinter der Tür gestanden, das Ohr fest ans Holz gedrückt und zugehört, wie das Leben des bis dahin vermögenden Silberminenbetreibers Mauro Larrea in Scherben fiel.

Die Frauen erhoben sich aus den Sesseln, und ihre Röcke bauschten sich knisternd wie Rabenflügel. Sie folgten dem Diener aus dem Zimmer hinaus und auf die kühle Galerie. Die, die gesagt hatte, sie sei die Schwester, ging vorweg. Die, die sich als die Witwe vorgestellt hatte, hinterher. Ih