Suche

TodesmärchenOverlay E-Book Reader

Todesmärchen

Thriller | Andreas Gruber

E-Book (EPUB)
2016 Goldmann
544 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-641-16314-3

Rezension verfassen

€ 11,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Taschenbuch erhältlich
Sneijder und Nemez ermitteln wieder.
Es war einmal in dunkler, abgrundtiefer Nacht ein böser, bitterböser Mann ...

In Bern wird die kunstvoll drapierte Leiche einer Frau gefunden, in deren Haut der Mörder ein geheimnisvolles Zeichen geritzt hat. Sie bleibt nicht sein einziges Opfer. Der niederländische Profiler Maarten S. Sneijder und BKA-Kommissarin Sabine Nemez lassen sich auf eine blutige Schnitzeljagd ein - doch der Killer scheint ihnen immer einen Schritt voraus. Währenddessen trifft die junge Psychologin Hannah im norddeutschen Steinfels ein, einem Gefängnis für geistig abnorme Rechtsbrecher. Sie soll eine Therapiegruppe leiten, ist jedoch nur an einem einzelnen Häftling interessiert: Piet van Loon. Der wurde einst von Sneijder hinter Gittern gebracht. Und wird jetzt zur Schlüsselfigur in einem teuflischen Spiel ...

Der dritte Fall für Sneijder und Nemez.

Andreas Gruber, 1968 in Wien geboren, lebt als freier Autor mit seiner Familie in Grillenberg in Niederösterreich. Mit seinen bereits mehrfach preisgekrönten und teilweise verfilmten Romanen steht er regelmäßig auf der Bestsellerliste.



Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1

Donnerstag, 1. Oktober

Das bleigraue Wasser der Aare floss träge durch die Stadt und kräuselte sich an den massiven Pfeilern der alten Steinbrücken. Sobald sich die Sonne über die bewaldete Schlosshalde geschoben hatte, würde der Fluss türkis funkeln.

Rudolf Horowitz liebte diesen Anblick. Er saß in eine karierte Steppdecke gewickelt vor dem geöffneten Fenster und sah von seiner Wohnung aus auf Bern hinunter. Bis jetzt war der Herbst eher mild gewesen. Aber das würde nicht so bleiben. In den Nachrichten hatten sie von einer heranziehenden Kaltwetterfront berichtet. Dann würden seine alten Knochen wieder zu schmerzen beginnen. Er schlug den Kragen seiner Strickweste hoch und beugte sich näher zum Fenster. Er liebte den frischen Duft des Morgens. Früher war er jeden Tag vor der ersten Tasse Kakao eine Runde gejoggt, doch vor fünf Jahren hatte er damit aufgehört. Nun vertrieb er sich die Morgenstunden anders.

Er griff in die Papiertüte, holte Brotkrumen hervor und fütterte damit die Tauben, die ein Stockwerk tiefer gurrend über das Balkongeländer seines Nachbarn hüpften. Der hasste ihn dafür, was Horowitz freute. Wer eine junge Frau schlug, für den war Taubenscheiße auf dem Balkon noch das Mindeste, was er verdiente.

Horowitz' Handy klingelte. Er blickte kurz auf das Display, ließ es aber erst einmal weiter läuten. Er kannte diese Nummer. Wenn Berger anrief, war die Kacke am Dampfen. Erst nachdem er noch eine Handvoll Brotkrumen an die Tauben verfüttert hatte, hob er ab.

»Horowitz«, knurrte er.

»Guten Morgen«, sagte Berger. »Ich nehme an, du bist schwer beschäftigt.«

»Wie immer.« Horowitz leerte die Papiertüte aus dem Fenster. Eine neugierige Taube hüpfte sogar auf seine Fensterbank. Horowitz scheuchte sie weg. Unten darfst du alles vollscheißen. Hier nicht.

»Kannst du zur Untertorbrücke kommen?«, fragte Berger.

»Ich bin nicht mehr im Dienst.«

»Ich weiß, aber ... wir brauchen dich.«

»Es dauert ziemlich lange, bis ich dort bin.«

»Ein Wagen ist bereits unterwegs zu dir. Ein bequemer großer Van. Deine ehemaligen Kollegen holen dich ab.«

»Ihr müsst es ja ziemlich eilig haben.«

»Sieh es dir an, dann weißt du, warum. Bis später.« Berger hatte aufgelegt.

Horowitz schloss das Fenster, dann fuhr er mit seinem Rollstuhl ins Wohnzimmer und holte Kamera und Diktiergerät aus einem alten verstaubten Koffer.

Die Untertorbrücke war die älteste Steinbrücke Berns und stammte aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Sie bestand aus drei massiven, langgezogenen Rundbögen, die sich über die Aare spannten und die Landzunge der Innenstadt mit dem anderen Ufer verbanden.

Die Feuerwehr hatte neben der Brücke eine zwei Meter tiefer gelegene Plattform aus Eisentraversen errichtet, deren Pfeiler im Fluss standen. Die Brücke war gesperrt, und der Verkehr wurde umgeleitet. Auch der Bereich zu beiden Seiten des Ufers war großräumig abgesperrt worden, damit keine Schaulustigen die Arbeit der Kripo störten. Nicht zu vermeiden gewesen war, dass die Menschen aus ihren Fenstern stierten oder auf ihren Dachterrassen standen und mit Feldstechern zu Brücke und Baugerüst hinübersahen. Bestimmt gab es bereits die ersten Videos im Internet.

Horowitz fuhr mit dem Rollstuhl durch die geöffnete Schiebetür des Polizeivans über eine Rampe hinunter und wurde sogleich von Berger begrüßt. Dieser trug Anzug, Krawatte, einen schwarzen Steppmantel und hatte - seit Horowitz ihn das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen hatte - graue Schläfen bekommen.

»So schick?«, fragte Horowitz, dem keine Zeit zum Umziehen geblieben war und der immer noch seine Strickweste und eine braune Flanellhose trug.

Berger ignorierte den Kommentar. »Morgen, Rudolf«, sagte er nur.

»Mein Gott, bist du alt geworden«, brummte Horowitz.

Berger hielt sich sichtlich zurück. »Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen.« Eigentlich hätte er s