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Fremde TochterOverlay E-Book Reader

Fremde Tochter

Roman | Michel Bussi

E-Book (EPUB)
2017 Aufbau Digital; Presses De La Cité
Auflage: 1. Auflage
544 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-8412-1382-2

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Ein tragischer Unfall - hat nur sie überlebt?

1989. Wie jedes Jahr verbringt die 15-jährige Clothilde die Ferien mit ihrer Familie auf Korsika. Doch dann geschieht das Unfassbare: Ihr Vater verliert auf einer Küstenstraße die Kontrolle über den Wagen, und sie stürzen in die Tiefe - nur Clothilde überlebt.

27 Jahre später wagt Clothilde es, gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach Korsika zurückzukehren. Dann erhält sie einen Brief, den nur eine Person geschrieben haben kann: ihre Mutter. Wer außer ihr wusste noch von den Ereignissen des Unglückssommers?

Auf ihrer Suche nach der Wahrheit erfährt Clothilde von Geheimnissen, die manche der Inselbewohner lieber im Verborgenen wüssten. Und plötzlich gerät ihre Familie erneut in Gefahr ...

'Die Geschichte eines tragischen Sommers. Absolut empfehlenswert.' marie claire.



Michel Bussi, geboren 1965, Politologe und Geograph, lehrt an der Universität in Rouen. Er ist einer der drei erfolgreichsten Autoren Frankreichs. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und sind internationale Bestseller.

Bei Rütten & Loening und im Aufbau Taschenbuch liegen seine Romane »Das Mädchen mit den blauen Augen«, »Die Frau mit dem roten Schal«, »Beim Leben meiner Tochter«, »Das verlorene Kind«, »Fremde Tochter«, »Nächte des Schweigens«, »Tage des Zorns« und »Das Kind in den Wellen« vor.

Mehr zum Autor unter michel-bussi.fr



Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

Kapitel 1

Schäferei von Arcanu,
23.
 August 1989

Clotilde? Clo?«

Tú me estás dando mala vida.

Genervt schob Clotilde die Kopfhörer nach hinten. Manu Chaos Stimme und die Musik von Mano Negra waren in der flirrenden Hitze jetzt kaum lauter als das Zirpen der Grillen.

»Ja?«

»Wir wollen los ...«

Clotilde seufzte, ohne sich von der Bank, auf der sie saß, zu erheben - ein in zwei Hälften geschlagener Baumstamm, dessen raue Oberfläche sie an den Pobacken kratzte. Das störte sie nicht. Sie mochte diese entspannte, fast schon provozierend lässige Haltung, die Steine, die sich im Rücken durch ihr Leinenkleid bohrten, die Rinde und die Späne, die ihr die Oberschenkel zerkratzten, wenn sie ihre Beine zum Rhythmus der Lieder von Mano Negra bewegte. Ihr Tagebuch auf den Knien, den Stift in der Hand saß sie zusammengekrümmt da.

Sie war anders. Frei.

Stand im krassen Gegensatz zur Familie ihres Vaters, die durch und durch steif, korsisch und verklemmt war. Sie drehte die Musik lauter.

Se la traga mi corazón.

Diese Band war einfach göttlich! Clotilde schloss die Augen und öffnete leicht den Mund. Sie hätte alles dafür gegeben, in der ersten Reihe eines Konzerts von Mano Negra zu stehen, dreißig Zentimeter größer, drei Jahre älter und drei Körbchengrößen mehr zu haben. Und dann, im engen T-Shirt, vor der Nase der Gitarristen ausgelassen zu tanzen.

Sie öffnete die Augen. Nicolas stand noch immer vor ihr. Genervt.

»Clotilde, wir warten alle nur auf dich. Papa fährt nicht eher ...«

Nicolas war achtzehn, drei Jahre älter als sie. Später einmal würde er Rechtsanwalt werden. Oder irgendein hohes Tier bei der Gewerkschaft. Oder Chef-Unterhändler bei der GSG 9, der Typ, der mit den Bankräubern verhandelt, um die Geiseln frei zu bekommen.

Nicolas liebte es, sich schwierigen Herausforderungen zu stellen. Sich ins Getümmel zu stürzen, Schläge zu kassieren und wegzustecken. Das gab ihm vermutlich das Gefühl, stärker, vernünftiger, zuverlässiger zu sein als die anderen. Bestimmt würde ihm das sein Leben lang nützlich sein.

Clotilde wandte den Blick ab und sah kurz zum Doppelmond vor der Küste der Halbinsel La Revellata hinüber, der eine war von Wolken umhüllt, der andere strahlte am dunklen Firmament - als wären die zwei auf der Flucht vor dem Lichtkegel des Leuchtturms. Sie zögerte, die Augen erneut zu schließen. Im Grunde war es überhaupt nicht schwer, sich woandershin zu beamen.

Aber nein, sie musste die Augen offen halten, die letzten Minuten auskosten, sie in ihrem Heft festhalten, ehe ihr Traum sich verflüchtigte. Die Worte zu Papier bringen. Sofort. Unbedingt.

Mein Traum findet ganz in der Nähe statt, aber erst in der Zukunft, am Strand von L'Oscelluccia. Ich erkenne die Felsen, den Sand, die Form der Bucht wieder, sie sehen immer noch gleich aus. Aber ich habe mich verändert, ich bin älter geworden.

Wie lange mochte das jetzt gedauert haben? Zwei Minuten? Die Zeit, in der sie noch ein paar Zeilen schrieb, die Zeit, in der Rock Island Line lief. Die Songs von Mano Negra dauern nie lange.

Aber Papa hatte es als Provokation empfunden. Dabei war es gar keine. Nicht dieses Mal. Dennoch packte er sie am Arm.

Clotilde spürte, wie die Kopfhörer runterrutschten, der rechte verfing sich in einer Strähne ihrer schwarzen gegelten Haare. Ihr Stift fiel auf den staubigen Boden. Das Heft blieb auf der Bank liegen, ohne dass sie noch danach hätte greifen, es in ihre Tasche packen, es wenigstens verstecken können.

»Papa, du tust mir weh, verdammt ...«

Er antwortete nicht. Ruhig. Kalt. Abweisend. Wie immer, wenn er sauer war ... Ein im Mittelmeer gestrandetes Stück Packeis.

»Beeil dich, Clotilde. Wir fahren nach Prezzuna. Alle warten nur noch auf d